Feuertaufe
die mit einer Beschwörung zum fernen Meer flog?
»Der Hexer Geralt«, begann der Märchenerzähler, »eilte zusammen mit seinen neuen Gefährten nach Angren, wo es Sümpfe gibt und Wälder. Das waren damals Wälder, oho, nicht solche wie heutzutage, heutzutage gibt es solche Wälder nicht mehr, höchstens im Brokilon vielleicht... Die Gefährten wanderten nach Osten, die Jaruga stromauf, zu den Dickichten des Schwarzen Waldes. Erst ging es gut mit ihnen, aber dann, oho ... Ich erzähl euch, was dann geschah ...«
Das Märchen von lang vergangenen, vergessenen Zeiten floss dahin, entspann sich. Die Kinder lauschten.
Der Hexer saß auf einem Baumstumpf am oberen Rande eines Steilhangs, von dem man das Weidengestrüpp und das Röhricht am Ufer der Jaruga überblickte. Die Sonne ging unter. Die Kraniche stiegen aus den Feuchtwiesen auf, riefen ihr »Gru-gru«, während sie im Keil dahinflogen.
Es ist alles schiefgegangen, dachte der Hexer, während er zur Ruine der Holzfällerhütte und zu der dünnen Rauchschnur zurückschaute, die von Milvas Lagerfeuer aufstieg. Alles hat sich gegen uns gekehrt. Dabei hatte es so gut angefangen. Eine sonderbare Mannschaft hatte ich, aber es war eine Mannschaft. Wir hatten ein Ziel vor uns, ein nahes, reales, konkretes Ziel. Durch Angren nach Osten, zum Caed Dhu. Es lief richtig gut. Aber es musste alles schiefgehen. Pech oder Fatum?
Die Kraniche ließen ihren Stundenruf ertönen.
Emiel Regis Rohellec Terzieff-Godefroy ritt auf dem braunen Nilfgaarder Hengst voran, der dem Hexer vor Armeria zugelaufen war. Obwohl der Hengst sich anfangs etwas gegen den Vampir und seinen Kräutergeruch sträubte, gewöhnte er sich rasch daran und machte nicht mehr Schwierigkeiten als die neben ihm gehende Plötze, die, von einer Bremse gestochen, heftig ausschlagen konnte. Hinter Regis und Geralt folgte auf Pegasus Rittersporn mit bandagiertem Kopf und kriegerischer Miene. Er dichtete unterwegs ein rhythmisches Heldenlied, das, kämpferisch in Melodie und Reimen, Reminiszenzen an die jüngsten Abenteuer anklingen ließ. Die Form des Werks ließ kaum Zweifel daran, dass während dieser Abenteuer gerade der Verfasser und Darbieter des Liedes sich als der Tapferste der Tapferen erwiesen hatte. Den Zug beschlossen Milva und Cahir Mawr Dyffryn aep Ceallach. Cahir ritt auf dem wiedergewonnenen Kastanienbraunen und zog den Grauschimmel am Zügel nach, auf den sie einen Teil ihrer bescheidenen Ausrüstung geladen hatten.
Schließlich kamen sie aus den Feuchtgebieten am Flusse auf höher gelegenes und trockenes Terrain, auf Anhöhen, von denen aus sie im Süden das schimmernde Band der Großen Jaruga betrachten konnten, im Norden jedoch das hohe und felsige Vorfeld des fernen Mahakam-Massivs. Das Wetter war schön, die liebe Sonne wärmte, die Mücken hatten aufgehört, zu stechen und ihnen um die Ohren zu schwirren. Stiefel und Hosenbeine trockneten. An den Hängen auf der Sonnenseite waren die Brombeersträucher schwarz von Früchten, die Pferde fanden Gras, die herabrinnenden Bäche führten kristallklares Wasser und waren voll Forellen. Wenn die Nacht hereinbrach, konnte man ein Lagerfeuer entfachen und sich sogar danebenlegen. Kurzum, alles war prächtig, und die Laune hätte sich augenblicklich bessern müssen. Sie besserte sich nicht. Der Grund dafür zeigte sich bei einem der ersten Biwaks.
»Warte einen Moment, Geralt«, begann der Dichter, schaute sich um und räusperte sich. »Geh nicht gleich wieder zum Lager. Wir wollen hier, unter uns, mit dir reden, Milva und ich. Es geht um ... Na, um Regis.«
»Aha.« Der Hexer legte den Armvoll Feuerholz auf den Boden. »Ihr habt Angst gekriegt? Das war an der Zeit.«
»Hör auf.« Rittersporn runzelte die Stirn. »Wir haben ihn als Kameraden akzeptiert, er hat sich bereiterklärt, uns bei der Suche nach Ciri zu helfen. Er hat meinen Hals aus der Schlinge gezogen, das werde ich ihm nicht vergessen. Aber, verdammt, wir haben wirklich irgendwie Angst. Wundert dich das? Dein Leben lang hast du solche wie ihn aufgespürt und getötet.«
»Ihn habe ich nicht getötet. Und habe es auch nicht vor. Genügt dir diese Erklärung? Wenn nicht, dann bin ich, sosehr es mich in der Seele jammert, außerstande, dich von deinen Ängsten zu heilen. Es ist paradox, aber der Einzige unter uns, der sich aufs Heilen versteht, ist gerade er, Regis.«
»Ich habe gesagt, hör auf«, sagte der Troubadour entnervt. »Du redest nicht mit Yennefer, erspar dir und
Weitere Kostenlose Bücher