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Feuertaufe

Feuertaufe

Titel: Feuertaufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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mich übrigens nicht vom Großteil meiner Altersgenossen. Ihr wisst, wie das ist, ihr wart auch einmal jung. Bei euch gibt es jedoch ein System von Verboten und Einschränkungen: die elterliche Gewalt, Vormünder, Anführer und Vorgesetzte, schließlich Brauch und Sitte. Bei uns gibt es das nicht. Die Jugend hat uneingeschränkte Freiheit und macht Gebrauch davon. Und sie entwickelt eigene Verhaltensmuster, dumme, versteht sich, von der Dummheit, wie sie Jugendlichen eigen ist. Du betrinkst dich nicht? Was willst du denn für ein Vampir sein? Er trinkt nicht? Dann laden wir ihn nicht ein, den Spaßverderber! Ich wollte niemandem den Spaß verderben, und die Aussicht, von meinen Kumpels nicht mehr akzeptiert zu werden, schreckte mich. Na, und wir hatten unseren Spaß. Machten ordentlich einen drauf, richtige Besäufnisse, bei jedem Vollmond flogen wir in ein Dorf und tranken, bei wem es sich gerade ergab. Das ekelhafteste, elendiglichste ... äh ... Zeug. Es war uns egal, von wem es stammte, Hauptsache ... ahm ... Hämoglobin ... Ohne Blut gab es schließlich keinen Spaß! An Vampirinnen traute man sich auch nicht recht heran, ehe man sich Mut angetrunken hatte.«
    Regis verstummte, versank in Gedanken. Niemand sagte etwas. Geralt fühlte, dass er schrecklich große Lust hatte, sich zu betrinken.
    »Es wurde immer wüster«, fuhr der Vampir fort. »Und im Laufe der Zeit immer schlimmer. Manchmal, wenn ich richtig in Fahrt war, bin ich drei, vier Nächte lang nicht in die Krypta zurückgekehrt. Nach einer früher einmal lächerlichen Menge an... Flüssigkeit verlor ich die Kontrolle, was mich nicht am Weitermachen hinderte. Die Kumpels waren eben Kumpels. Die einen versuchten, mich freundlich zu mäßigen, also war ich auf sie sauer. Die anderen feuerten mich an, holten mich zu Besäufnissen aus der Krypta, drängten mir geradezu ... äh ... Objekte auf. Und vergnügten sich auf meine Kosten.«
    Milva, die noch immer mit dem Richten von Flugfedern beschäftigt war, begann zornig zu murren. Cahir hatte die Reparatur seines Stiefels beendet und sah aus, als ob er schliefe.
    »Später«, fuhr Regis fort, »traten alarmierende Erscheinungen auf. Spaß und Gesellschaft begannen, eine ganz und gar zweitrangige Rolle zu spielen. Ich bemerkte, dass ich auf sie verzichten konnte. Ausreichend und wirklich wichtig war nur noch das Blut, selbst wenn ich trank, bis ...«
    »Der Spiegel erreicht war?«, warf Rittersporn ein.
    »Schlimmer«, erwiderte Regis ruhig. »Im Spiegel bin ich nicht zu sehen.«
    Er schwieg eine Zeitlang.
    »Ich lernte eine... Vampirin kennen. Das konnte etwas Ernstes sein und war es wohl auch. Ich hörte auf, über die Stränge zu schlagen. Aber nicht lange. Sie verließ mich. Und ich begann erst recht mit dem Trinken. Verzweiflung, Trauer, das sind, wie ihr wisst, perfekte Rechtfertigungen. Alle glauben das zu verstehen. Sogar ich glaubte es zu verstehen. Aber ich passte nur die Theorie an die Praxis an. Langweile ich euch? Ich bin gleich fertig. Schließlich begann ich, Dinge zu tun, die inakzeptabel waren, unverzeihlich, Dinge, die kein Vampir tut. Ich begann betrunken zu fliegen. Eines Nachts schickten mich die Jungs in ein Dorf nach Blut, und ich verfehlte ein Mädchen, das gerade zum Brunnen ging, rammte den Eimer... Die Bauern hätten mich um ein Haar erledigt, zum Glück wussten sie nicht, wie man das anstellt... Sie durchlöcherten mich mit Pflöcken, hieben mir den Kopf ab, begossen mich mit Weihwasser und vergruben mich. Könnt ihr euch vorstellen, wie ich mich beim Erwachen gefühlt habe?«
    »Können wir«, sagte Milva, während sie einen Pfeil betrachtete. Alle schauten sie verwundert an. Die Bogenschützin räusperte sich und wandte den Kopf ab.
    Regis deutete ein Lächeln an. »Ich bin schon fertig«, sagte er. »Im Grab hatte ich genug Zeit, über mich selbst nachzudenken ...«
    »Genug?«, fragte Geralt. »Wie lange?«
    Regis schaute ihn an. »Berufliche Neugier? An die fünfzig Jahre. Während ich mich regenerierte, beschloss ich, mich zusammenzureißen. Es war nicht leicht, aber ich schaffte es. Seither trinke ich nicht.«
    »Überhaupt nicht?« Rittersporn geriet ins Stottern, doch die Neugier siegte. »Überhaupt nicht? Niemals? Weil doch...«
    »Rittersporn.« Geralt zog leicht die Brauen hoch. »Beherrsch dich. Und sei still.«
    »Entschuldigung«, murmelte der Dichter.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte der Vampir versöhnlich. »Und du, Geralt, tadle ihn nicht. Ich

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