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Feuertaufe

Feuertaufe

Titel: Feuertaufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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das Messer aus der Scheide zog. Milva räusperte sich leise. Die dunkelblauen Augen des Gefesselten, bisher wegen des Regens fast geschlossen, öffneten sich. Geralt beugte sich vor und schnitt die Schlinge durch, die seine linke Hand hielt.
    »Schau, Rittersporn«, sagte er, indem er das Handgelenk packte und anhob. »Siehst du die Narben auf der Handfläche? Da hat Ciri ihn geschnitten. Auf der Insel Thanedd, vor einem Monat. Das ist ein Nilfgaarder. Er ist eigens nach Thanedd gekommen, um Ciri zu entführen. Sie hat ihm die Schnitte beigebracht, als sie sich wehrte.«
    »Es hat ihr ja nichts genützt«, murmelte Milva. »Aber irgendwas, denke ich, passt hier nicht zusammen. Wenn der da deine Ciri für die Nilfgaarder von der Insel Thanedd geraubt hat, wie ist er dann in den Sarg geraten? Warum hat ihn der Havekar den Nilfgaardern eigentlich ausgeliefert? Nimm ihm den Knebel aus dem Mund, Hexer. Vielleicht sagt er uns was?«
    »Ich will gar nichts von ihm hören«, sagte Geralt tonlos. »Mir juckt es schon jetzt in der Hand, ihn abzustechen, wie er so daliegt und schaut. Ich kann mich kaum zurückhalten. Wenn er was sagt, halte ich mich nicht mehr zurück. Ich habe euch nicht alles über ihn gesagt.«
    »Dann halte dich doch nicht zurück.« Milva zuckte mit den Schultern. »Stich ihn ab, wenn das so ein Dreckskerl ist. Aber beeil dich, denn die Zeit drängt. Ich hab gesagt, gleich werden die Nilfgaarder hier sein. Ich geh mein Pferd holen.«
    Geralt richtete sich auf, ließ die Hand des Gefesselten los. Der riss sich sofort den Knebel aus dem Mund. Doch er sagte nichts. Der Hexer warf ihm das Messer auf die Brust.
    »Ich weiß nicht, für welche Verfehlungen sie dich in die Kiste gesteckt haben, Nilfgaarder«, sagte er. »Und es geht mich nichts an. Ich lass dir dieses Messer da, befreie dich selbst. Warte hier auf deine Leute oder verdrück dich in den Wald, wie du willst.«
    Der Gefangene schwieg. Gefesselt und in die Holzkiste gelegt, sah er noch armseliger und wehrloser als auf Thanedd aus, dort aber hatte ihn Geralt auf Knien gesehen, von Angst geschüttelt in einer Blutlache. Er sah auch viel jünger aus. Geralt schätzte ihn auf nicht mehr als fünfundzwanzig Jahre.
    »Ich habe dir auf der Insel das Leben geschenkt«, setzte Geralt hinzu. »Ich schenke es dir auch jetzt. Aber das ist das letzte Mal. Bei der nächsten Begegnung erschlage ich dich wie einen Hund. Denk dran. Wenn es dir einfallen sollte, deine Kumpane zu überreden, uns zu verfolgen, dann nimm diesen Sarg mit. Du wirst ihn brauchen. Reiten wir, Rittersporn.«
    »Und hurtig!«, rief Milva, die im Galopp von dem nach Westen führenden Pfad zurückkam. »Aber nicht dorthin! In die Wälder, verdammt, in die Wälder!«
    »Was ist passiert?«
    »Vom Bandwasser her kommt massenhaft Reiterei! Das ist Nilfgaard! Was glotzt ihr? Auf die Pferde, ehe sie uns umzingeln!«
     
    Die Schlacht um das Dorf dauerte schon eine gute Stunde, und noch immer deutete nichts auf ein Ende hin. Die Infanteristen, die sich hinter Steinmauern, Zäunen und zu Barrikaden aufgestellten Wagen verschanzt hielten, hatten schon drei Angriffe der Kavallerie zurückgeschlagen, die auf dem Damm angesprengt kam. Die geringe Breite des Damms erlaubte es den Reitern nicht, frontalen Druck auszuüben, den Fußsoldaten aber ermöglichte sie, die Verteidigung zu konzentrieren. Daher scheiterte Angriffswelle auf Angriffswelle der Reiterei an den Barrikaden, hinter denen hervor verzweifelte, aber verbissene Landsknechte einen Hagel von Bolzen und Pfeilen in die dicht gedrängten Reiterhaufen schickten. Unter dem Beschuss stockte die Kavallerie und drängte sich noch mehr zusammen, und dann brachen die Verteidiger zu schnellen Gegenangriffen hervor, hieben, was das Zeug hielt, mit Streitäxten, Partisanen und Morgensternen drauflos. Die Reiterei zog sich über die Teiche zurück, ließ die Leichen von Menschen und Pferden liegen, das Fußvolk indes verschwand hinter der Barrikade und überschüttete den Feind mit unflätigen Schimpfworten. Nach einer Weile formierte sich die Reiterei wieder und griff abermals an. Und so weiter.
    »Wer schlägt sich hier eigentlich mit wem?«, fragte Rittersporn zum wiederholten Male - undeutlich, weil er gerade einen von Milva geschnorrten Zwieback im Mund hatte und versuchte, ihn aufzuweichen.
    Sie saßen am äußersten Rande eines Abhangs, inmitten von Wacholderbüschen gut getarnt. Sie konnten die Schlacht beobachten, ohne fürchten zu müssen, selbst

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