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Feuertaufe

Feuertaufe

Titel: Feuertaufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Galopp entgegenschlug. »Hättest du das Pferd unter ihm erschossen?«
    »Nein«, gestand sie widerwillig. »Das Pferd kann nichts dafür. Aber dieser Nilfgaarder... Wieso, zum Kuckuck, folgt er uns? Wieso sagt er, dass er es muss?«
    »Hol mich der Teufel, wenn ich es weiß.«
     
    Es regnete noch immer, als der Wald endete und sie auf eine Landstraße kamen, die sich zwischen Anhöhen von Süden nach Norden schlängelte. Oder in die Gegenrichtung, je nach Standpunkt.
    Was sie auf der Straße erblickten, überraschte sie nicht. Sie hatten das schon gesehen. Umgestürzte und ausgeweidete Wagen, tote Pferde, verstreute Bündel, Packtaschen und Bastkörbe. Und verstümmelte, in seltsamen Posen erstarrte Gestalten, die noch vor kurzem Menschen gewesen waren.
    Sie ritten näher, ohne Furcht, denn es war zu sehen, dass das Gemetzel nicht heute, sondern gestern oder vorgestern stattgefunden hatte. Sie hatten schon gelernt, derlei zu erkennen, oder vielleicht spürten sie es mit wahrlich tierischem Instinkt, den die letzten Tage in ihnen geweckt und geschärft hatten. Sie hatten auch gelernt, die Schlachtfelder abzugrasen, denn manchmal - selten - gelang es ihnen, unter der verstreuten Habe ein wenig Proviant oder einen Sack Pferdefutter zu finden.
    Sie machten am letzten Wagen der ausgeraubten Kolonne halt, der zum Straßengraben hin abgedrängt worden war und schief auf der Nabe eines gebrochenen Rades stand. Unter dem Wagen lag eine korpulente Frau mit unnatürlich gekrümmtem Hals. Den Kragen der Jacke überzogen vom Regen verwaschene Blutrinnsale von einem aufgeschlitzten Ohrläppchen, aus dem ein Ring gerissen worden war. Auf der Plane, die den Wagen bedeckte, stand »Vera Loewenhaupt und Söhne«. Von den Söhnen war in der Nähe nichts zu sehen.
    »Das sind keine Bauern.« Milva presste die Lippen zusammen. »Das sind Kaufleute. Sie waren von Süden her unterwegs, von Dillingen nach Brugge, hier haben sie sie eingeholt. Das ist schlecht, Hexer. Ich dacht, wir könnten schon hier nach Süden abbiegen, aber jetzt weiß ich wirklich nicht, was ich machen soll. Dillingen und ganz Brugge sind bestimmt schon in der Hand Nilfgaards, da entlang kommen wir nicht zur Jaruga. Wir müssen weiter nach Osten, durch den Turlough. Dort gibt es Wälder und menschenleere Gegenden, dort geht die Armee nicht hin.«
    »Ich reite nicht weiter nach Osten«, widersprach er. »Ich muss an die Jaruga.«
    »Du kommst an die Jaruga«, erwiderte sie unerwartet ruhig. »Aber auf einem weniger gefährlichen Weg. Wenn du von hier aus nach Süden aufbrichst, läufst du den Nilfgaardern genau in die Fänge. Du gewinnst nichts.«
    »Ich gewinne Zeit«, knurrte er. »Wenn ich nach Osten reite, verliere ich immerzu Zeit. Ich habe euch gesagt, dass ich mir das nicht...«
    »Still«, sagte plötzlich Rittersporn und wendete sein Pferd. »Hört einen Moment auf zu reden.« »Was ist passiert?« »Ich höre... Gesang.«
    Der Hexer drehte den Kopf hin und her. Milva schnaubte. »Das bildest du dir ein, Dichter.«
    »Still! Haltet den Mund! Jemand singt, sag ich euch! Hört ihr nicht?«
    Geralt zog seine Kapuze herunter, auch Milva spitzte die Ohren, einen Augenblick später schaute sie den Hexer an und nickte.
    Sein musikalisches Gehör hatte den Troubadour nicht getäuscht. Was unmöglich zu sein schien, erwies sich als wahr.
    Da standen sie mitten im Walde, im Nieselregen, auf einer leichenübersäten Straße, und an ihre Ohren drang Gesang. Von Süden her kam jemand, der munter und fröhlich sang.
    Milva riss an den Zügeln des Rappen, bereit zur Flucht, doch der Hexer hielt sie mit einer Handbewegung zurück. Er war neugierig. Denn der Gesang, den sie hörten, war nicht der bedrohliche, rhythmische, vielstimmig dröhnende Gesang marschierenden Fußvolks oder ein übermütiges Liedchen der Reiterei. Der näher kommende Gesang flößte keine Angst ein. Ganz im Gegenteil.
    Der Regen rauschte im Laub. Sie begannen, die Worte des Liedes zu verstehen. Eines fröhlichen Liedes, das in dieser Landschaft von Krieg und Tod fremd wirkte, unnatürlich und völlig fehl am Platze.
     
    Schaut nur, wie das Wölfchen munter dort im Walde tanzt,
    Bleckt die Zähne, springt umher und wedelt mit dem Schwanz.
    Warum ist das Wölfchen nur so unbeschwert und froh?
    Hat bestimmt noch keine Wölfin, darum tollt es so!
    Um-ta, um-ta, uhu-ha!
     
    Rittersporn lächelte plötzlich, zog die Laute unter dem nassen Mantel hervor, schlug, ohne auf das Zischen des Hexers und Milvas zu

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