Feuertaufe
dass sie wisse, was sie tue. Er meldete sich nicht mehr zu Wort. Wichtig war letzten Endes, dass sie ritten. Die Richtung hatte keine besondere Bedeutung.
Sie ritten schweigend, nass, durchgefroren, in den Sätteln zusammengekrümmt. Sie hielten sich an Schleichpfade und Waldwege, überquerten Straßen. Sie verschwanden im Dickicht, wenn sie den Hufschlag von Kavallerie hörten, die auf den Straßen heranzog. Sie machten einen weiten Bogen um Schlachtenlärm. Sie ritten an in Flammen stehenden Dörfern vorbei, an rauchenden und glimmenden Brandstätten, an Siedlungen und Gehöften, von denen nur schwarze Quadrate von verbrannter Erde und der stechende Gestank von regendurchnässter Asche geblieben waren. Sie scheuchten Krähenschwärme auf, die an Leichen fraßen. Sie kamen an Gruppen und Kolonnen von gepäckbeladenen Dörflern vorbei, die vor Krieg und Feuer flohen, abgestumpften Leuten, die auf Fragen nur mit furchtsamem, verständnislosem und stummem Starren aus von Unglück und Entsetzen leeren Augen reagierten.
Sie ritten nach Osten, inmitten von Feuer und Rauch, in Nässe und Nebel, und vor ihren Augen entfaltete sich der Gobelin des Krieges. Bilder.
Da war das Bild von dem Brunnen mit dem Schwingbaum, der als schwarzer Strich inmitten der Ruinen eines niedergebrannten Dorfes aufragte. Daran hing ein nackter Leichnam. Mit dem Kopf nach unten. Aus dem aufgeschlitzten Schritt und Bauch war das Blut auf Brust und Gesicht gelaufen, hing in Fäden von den Haaren herab. Auf dem Rücken des Leichnams war die Rune Ard zu sehen. Mit einem Messer hineingeschnitten.
»Ein Aan'brengar«, sagte Milva und warf die nassen Haare zurück. »Hier waren Eichhörnchen.« »Was heißt das, Aan'brengar?« »Ein Denunziant.«
Da war das Bild von dem Pferd, einem gesattelten Grauen mit schwarzer Schabracke. Das Pferd wankte am Rande eines Schlachtfeldes entlang, schlingerte zwischen Leichenbergen und in den Boden gerammten angebrochenen Spießen einher, wieherte leise und ergreifend und zog die aus dem aufgeschlitzten Bauch herausgefallenen Eingeweide hinter sich her. Sie konnten es nicht töten - außer dem Pferd streiften Marodeure übers Schlachtfeld, die die Leichen fledderten.
Da war das Bild von dem gekreuzigten Mädchen, das unweit eines niedergebrannten Hofes lag, nackt, blutbefleckt, die glasig gewordenen Augen gen Himmel gerichtet.
»Es heißt, Krieg ist Männersache«, knurrte Milva. »Aber ein Weib verschonen sie nicht, müssen sich gehenlassen. Die Helden, die Hundsfötter!«
»Du hast recht. Aber du wirst es nicht ändern.«
»Ich habe es schon geändert. Ich bin von zu Hause weggelaufen. Ich wollte nicht die Kate fegen und den Fußboden scheuern. Und warten, bis sie kommen, die Kate anzünden und mich auf diesen Fußboden legen und ...«
Sie sprach nicht zu Ende, trieb das Pferd an.
Und später kam das Bild von der Teerbrennerei. Da erbrach Rittersporn alles, was er an dem Tage gegessen hatte, das heißt Zwieback und einen halben Stockfisch.
In der Teerbrennerei hatten Nilfgaarder - oder vielleicht Scioa'tael - eine gewisse Anzahl Gefangener erledigt. Welche Anzahl es gewesen war, ließ sich nicht einmal annähernd feststellen. Denn zum Erledigen der Gefangenen hatte man nicht nur Pfeile, Schwerter und Lanzen verwendet, sondern auch die in der Teerbrennerei vorgefundenen Holzfällerwerkzeuge, -Äxte, Bandmesser und Sägen.
Es gab noch andere Bilder, doch Geralt, Rittersporn und Milva behielten sie nicht in Erinnerung. Sie verdrängten sie aus dem Gedächnis.
Sie waren gleichgültig geworden.
Die nächsten beiden Tage legten sie keine zwanzig Meilen zurück. Es regnete noch immer. Die nach der Trockenheit des Sommers durstige Erde hatte sich schon bis zur Sättigung mit Wasser vollgesogen, die Waldwege waren zu schlammigen Rutschbahnen geworden. Nebel und Ausdünstungen nahmen ihnen die Möglichkeit, den Rauch der Brände zu beobachten, doch der Gestank von Verbranntem zeigte an, dass die Truppen noch immer in der Nähe waren und weiterhin alles anzündeten, was nur Feuer fing.
Flüchtlinge sahen sie nicht. Sie waren in den Wäldern allein. Zumindest glaubten sie das.
Geralt hörte als erster das Schnauben eines hinter ihnen gehendes Pferdes. Mit steinernem Gesicht wendete er Plötze. Rittersporn machte den Mund auf, doch Milva hieß ihn mit einer Handbewegung schweigen, nahm den Bogen aus dem Futteral am Sattel.
Der Mann, der ihnen nachritt, tauchte aus dem Unterholz auf. Er sah, dass man ihn
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