Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuertaufe

Feuertaufe

Titel: Feuertaufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
gestohlen hatten. Und im Futteral am Sattel des Rappen befand sich ihr unschätzbarer Bogen. Was hilft's, dachte sie, während beim Laufen das Wasser aus ihren Stiefeln platschte, die anderen müssen vorerst allein zurechtkommen. Ich, verdammt, muss den Bogen und die Pferde kriegen!
    Zuerst eroberte sie Pegasus zurück. Der Wallach des Dichters ignorierte die gegen seine Flanken stoßenden Bastschuhe, kümmerte sich einen Dreck um die anfeuernden Rufe des ungeschickten Reiters und dachte gar nicht daran zu galoppieren; er lief schläfrig, faul und langsam durch das Birkenwäldchen. Der Bauer war hinter den übrigen Pferdedieben weit zurückgeblieben. Als er hinter sich Milva hörte und sah, sprang er ohne zu zögern ab und verdrückte sich ins Unterholz, wobei er mit beiden Hände seine Hose festhielt. Milva verfolgte ihn nicht, sie unterdrückte das heftige Verlangen, ihm ordentlich die Fresse zu polieren. Sie sprang aus dem Lauf in den Sattel, heftig, dass die Saiten der an einer Satteltasche festgemachten Laute klirrten. Erfahren im Umgang mit Pferden, konnte sie den Wallach zum Galopp zwingen. Oder eher zu dem schwerfälligen Trab, den Pegasus für Galopp hielt.
    Doch selbst dieser Pseudogalopp reichte aus, denn die Flucht der Pferdediebe wurde von dem nächsten untypischen Pferd gebremst: von der eigensinnigen Plötze des Hexers, jener braunen Stute, die Geralt, von ihren Kapricen erbost, schon des öfteren gegen ein anderes Reittier einzutauschen gedroht hatte, und sei es ein Esel, ein Maultier oder gar ein Ziegenbock. Milva holte den Dieb in dem Augenblick ein, als die von einem falschen Zügelzug entnervte Plötze den Reiter abgeworfen hatte und die übrigen Bauern, aus den Sätteln gesprungen, versuchten, die ausschlagende und sich aufbäumende Stute zu bändigen. Sie waren so beschäftigt, dass sie Milva erst bemerkten, als sie auf Pegasus über sie herfiel und einen ins Gesicht trat, dass ihm die Nase brach. Als er schreiend und die Götter zu Hilfe rufend hinfiel, erkannte sie ihn. Es war Holzschuh. Der Bauer, der ganz offensichtlich kein Glück mit den Menschen hatte. Insbesondere mit Milva.
    Milvas Glück endete leider ebenfalls. Genauer gesagt lag es nicht am Glück, sondern an ihrem eigenen Hochmut und an der in der Praxis leichthin erworbenen Überzeugung, zwei beliebige Dörfler könne sie allemal so verprügeln, wie sie es für angebracht hielt. Doch als sie aus dem Sattel sprang, bekam sie plötzlich eine Faust aufs Auge und fand sich unversehens am Boden wieder. Sie zog das Messer, entschlossen, einen Bauch aufzuschlitzen, doch sie bekam mit einem dicken Knüppel derart eins über den Kopf, dass der Knüppel zerbrach und ihr Borke und Holzstaub in die Augen streute. Betäubt und geblendet, konnte sie immerhin das Knie des Dörflers packen, der immer noch mit dem Rest des Knüppels auf sie einschlug, worauf der Dörfler überraschend aufheulte und fiel. Der zweite schrie und deckte den Kopf mit beiden Händen. Milva rieb sich die Augen und sah, dass er sich vor den auf ihn niederprasselnden Peitschenhieben schützte, die ihm ein Reiter auf einem Schimmel versetzte. Sie sprang auf, trat dem gestürzten Bauern mit Schwung gegen den Hals. Der Pferdedieb begann zu röcheln, zuckte mit den Beinen und blieb breitbeinig liegen, was Milva sofort ausnutzte, um in den genau gezielten Fußtritt ihre ganze Wut zu legen. Der Bauer krümmte sich zusammen, presste die Hände gegen den Schritt und heulte derart auf, dass geradezu die Blätter von den Birken rieselten.
    Der Reiter auf dem Schimmel widmete sich unterdessen dem zweiten Bauern und dem aus der Nase blutenden Holzschuh und trieb beide mit Peitschenhieben zum Walde hin. Er kehrte zurück, um den Heulenden durchzuprügeln, hielt jedoch sein Pferd zurück. Denn Milva war schon bei ihrem Rappen, hatte schon den Bogen in der Hand und einen Pfeil auf der Sehne. Die Sehne war nur halb gespannt, doch die Pfeilspitze zeigte genau auf die Brust des Reiters.
    Einen Moment lang schauten sie einander an, der Reiter und die junge Frau. Dann holte der Reiter mit einer langsamen Bewegung einen Pfeil mit langen Flugfedern aus seiner Jacke hervor und warf ihn Milva vor die Füße.
    »Ich wusste«, sagte er ruhig, »dass ich Gelegenheit haben würde, dir deine Pfeilspitze zurückzugeben, Elfe.«
    »Ich bin keine Elfe, Nilfgaarder.«
    »Ich bin kein Nilfgaarder. Senke endlich diesen Bogen. Wenn ich dir Böses wollte, hätte ich einfach nur zuzuschauen brauchen, wie sie

Weitere Kostenlose Bücher