Feuerteufel: Roman (German Edition)
wie sie die Formulierungen feinschliff, um ihm begreiflich zu machen, wie sehr er sie verletzt hatte.
In irgendeinem Selbsthilfebuch hatte sie gelesen, dass man niemals wichtige Entscheidungen treffen sollte, wenn man deprimiert war, doch mit einem Mal hatte sie in einem großen Haus voller Umzugskartons gesessen und auf ein neues Leben in ihrer alten Heimatstadt gehofft. Oder wenigstens auf ein Leben, das es wert war, gelebt zu werden.
Wagte sie, sich dem noch einmal auszuliefern? Alles zu setzen mit dem Risiko, alles zu verlieren? Schaffte sie das?
Sie pflückte noch ein paar Himbeeren, doch ihr Blick wurde zu der großen Birke am Seeufer gezogen, die schon gelbe Einsprengsel bekommen hatte. Nicht mehr lange, und die Luft würde herbstlich frisch sein und nach Schulanfang riechen.
Schulanfang. Magdalena versuchte, den Gedanken wegzuschieben, doch es gelang ihr nicht.
Dieses Jahr wird es besser für Nils werden, entschied sie. Neue Schule. Neue, freundlichere Klassenkameraden. Alles wird besser werden.
»Magda«, rief jemand hinter ihr.
Magdalena sah von der Dose auf. Bengt Berglund stand auf seiner Terrasse jenseits der Hecke und winkte ihr mit zittriger Hand.
»Ich g…, ich glaube, es wird ein Unwetter geben.«
Magdalena sah zum Himmel. Aus Nordosten kamen dicke blaulila Wolken angerollt.
»Ja, uh, wie fies!«, rief Magdalena.
»D… du wirst doch keine Angst vor einem kleinen Gewitter haben«, fuhr Bengt fort.
Das Sprechen war zumindest im Laufe des Sommers besser geworden. Anfangs war es fast unmöglich gewesen, zu verstehen, was er sagte.
»Manchmal schon«, gestand Magdalena.
Wenn ich ganz allein bin.
»Ist Petter schon gefahren?«
»Ja, der sitzt jetzt wahrscheinlich schon mit Vendela und Vanessa in der Hütte, mitten im Wald und ohne Handynetz. Keine Ahnung, warum man sich das antun sollte.«
Bengt lachte. Das klang jedenfalls völlig unverändert.
»Manchmal kann man nicht … glauben, dass du hier aufgewachsen bist.«
Das stimmte. Obwohl es ihre eigene Entscheidung gewesen war, nach Hagfors zurückzukehren, fand sie immer noch, dass Birkenreisig zusammen mit Osterfedern in große Eimer auf den Hötorget in Stockholm gehörte. Aber das würde sie natürlich niemals laut sagen, weshalb sie auch niemandem erzählt hatte, dass sie ihre Tannenzweige für den Weihnachtsschmuck immer kaufte.
»D… du kannst gerne zu uns kommen, wenn es zu schlimm wird.«
»Vielen Dank, Bengt. Das ist nett von dir.«
Obwohl das Schlafzimmerfenster offen stand, hing die dünne Gardine vollkommen still. Kjell-Ove Magnusson drückte Mirjam näher an sich, vergrub die Nase in ihren Haaren und schloss die Augen. Er lauschte auf ihrer beider Atemzüge, manchmal hörte er sie einzeln, dann wieder gleichzeitig, zu einem Atem verschmolzen.
Wenn es doch nur immer so einfach sein könnte.
Kjell-Ove sog den Duft des Shampoos ein und tat so, als ob alles anders wäre.
»Was denkst du?«, fragte Mirjam und hob den Kopf von seiner Schulter.
»Dass ich hierbleiben will.«
Mirjam antwortete nicht, sondern legte sich nur wieder hin, nahm seine Hand und flocht vorsichtig ihre kleinen Finger zwischen seine.
Kjell-Ove hatte irgendwo mal gehört, dass die Hände das Alter einer Frau verraten würden. Das traf auf Mirjam nicht zu. Ihre Hände waren immer noch glatt und ein wenig rundlich, so wie der Rest von ihr auch. Manchmal dachte er, dass sie ihre ganze Welt auf diesen Händen trug. Ständig waren sie mit irgendetwas beschäftigt: Kartoffeln schälen, Fenster putzen bei der Tochter, Lose für den Bandyclub verkaufen. Und jetzt hatte sie ein kleines Enkelkind, das sie umsorgen konnte, das sie genau richtig anziehen und für das sie Patchworkdecken nähen konnte.
Die meisten Frauen, die er kannte, würden schockiert sein, mit dreiundvierzig Großmutter zu werden, doch für Mirjam schien das alles ganz in Ordnung zu sein und genauso, wie sie es sich wünschte.
Jetzt bewegte sie sich unruhig auf ihm. Wieder und wieder schlossen und öffneten sich ihre Finger um seine Hand.
»Und woran denkst du?«, fragte er. »Stimmt irgendwas nicht?«
»Nein, nein, nichts«, antwortete sie mit einer Stimme, die deutlich machte, dass natürlich doch irgendwas war.
»Nun komm, sag schon«, ermunterte er sie und umarmte sie fester.
»Da ist ein Satz, an den ich immer denken muss. ›Du hörst nicht, wenn ich aufhöre zu weinen‹, sagt dir das was?«
»Du hörst nicht, wenn ich aufhöre zu weinen?« Kjell-Ove dachte nach. »Nein,
Weitere Kostenlose Bücher