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Feuertochter: Roman (German Edition)

Feuertochter: Roman (German Edition)

Titel: Feuertochter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Osten rötete sich bereits der Horizont und kündete den nahen Tag an. Um die Zeit standen auf der Burg normalerweise die ersten Knechte und Mägde auf. Doch die hatten bei der Feier ebenso wie die Bauern aus der Umgebung den einen oder anderen Becher Met erwischt und schliefen noch alle.
    Selbst der Wächter, der eigentlich die Augen hätte aufhalten sollen, hockte in einer Ecke der Wehrmauer und schnarchte, und da das Burgtor offen stand, hätte jeder Feind ungehindert eindringen können. Buirre verkniff es sich jedoch, den Mann zu wecken und zu tadeln, sondern führte sein Pferd in den Stall, sattelte es eigenhändig ab und schlich in Saraids Kammer.
    Seine Frau schlief ebenfalls noch, wachte aber auf, nachdem er sich seiner Kleider entledigt hatte und unter die Decke kroch.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    »Ich war auf dem Abtritt«, antwortete er scheinbar verschlafen.
    Obwohl er müde war, fand er keine Ruhe. Immer wieder sah er Maeves halbnackten, toten Leib vor sich. Sie hätte nicht sterben dürfen, dachte er und verfluchte sie noch als Tote dafür.
    Da ihr Mann sich unruhig bewegte und ständig vor sich hin brummelte, stand Saraid schließlich auf, raffte ihr Kleid an sich und verließ die Kammer. Sich waschen und sich für den Tag fertig machen wollte sie in Ciaras Zimmer, damit Buirre sie nicht nackt sehen konnte. Sie traf ihre Cousine bereits wach an. Allerdings saß diese mit hinter dem Kopf verschränkten Händen auf dem Bett und schien ihrem Lächeln zufolge an etwas Schönes zu denken.
    »Guten Morgen, meine Liebe«, grüßte Saraid.
    »Guten Morgen! Du bist aber schon früh auf«, antwortete Ciara.
    »Es ist wegen Buirre. Entweder schnarcht er, dass ich nicht schlafen kann, oder er zappelt so, dass man Angst haben muss, er stößt einen aus dem Bett.«
    Da Ciara die Einzige war, mit der sie offen über ihre Gefühle sprechen konnte, machte sie aus ihrer Abneigung gegen ihren Ehemann keinen Hehl. Das brauchte sie, wenn sie nicht irgendwann vor Wut platzen wollte.
    »Was machen wir heute?«, fragte sie Ciara.
    »Zuerst frühstücken wir und sehen dann in der Halle nach, in welchem Zustand die Männer sie hinterlassen haben. Sobald genügend Mägde und Knechte wach sind, sollen sie dort aufräumen.« Ciara seufzte und sah ihre Cousine mit einem komisch verzweifelten Ausdruck an. »Kannst du mir sagen, was die Männer daran finden, so lange Met und Whiskey in sich hineinzuschütten, bis er ihnen oben wieder herauskommt?«
    »Das ist ein Mysterium, das nur Gott im Himmel beantworten kann. Immerhin hat er die Männer so geschaffen, wie sie sind. Uns Frauen hat er die Freude am übermäßigen Trinken zum Glück erspart.«
    Saraid dachte an Buirre, der schon immer über das richtige Maß hinaus getrunken hatte, und fand nicht zum ersten Mal, dass es ein Fehler gewesen war, ihn zu heiraten. Dann aber zuckte sie mit den Achseln. Vor der Hochzeit war er ein gutaussehender, höflicher junger Mann in Oisins Schar gewesen und hatte sogar einen gewissen Charme besessen. Von alldem war nichts mehr übrig.
    Mit einer verächtlichen Miene wandte sie sich Ciara zu. »Männer, sage ich nur! Gäbe es eine andere Möglichkeit für uns Frauen, zu Kindern zu kommen, wären sie überflüssig! Damit gäbe es auch nicht das ganze Leid, das sie uns bereiten. Doch nun sollten wir uns waschen. Nebenbei: Woran hast du vorhin gedacht, als ich in deine Kammer gekommen bin?«
    Der abrupte Themenwechsel verwirrte Ciara zuerst, dann färbten ihre Wangen sich rot. Vor jedem anderen hätte sie ihre geheimsten Gedanken verborgen, doch Saraid war nicht nur ihre Cousine, sondern auch ihre Freundin, der sie mehr als allen anderen auf der Welt vertraute.
    »An den jüngeren Kirchberg!«, bekannte sie. »Du hättest Ferdinand erleben sollen, als er die Engländer an der Nase herumgeführt hat. Er ist sehr tapfer und klug, aber auch bescheiden und höflich.«
    »Im Gegensatz zu seinem Vetter, willst du wohl sagen.« Saraid hatte aus ihrer Abneigung Simon gegenüber nie einen Hehl gemacht und war erleichtert, dass Ciara ihre kindliche Verehrung für diesen Mann offenbar überwunden hatte.
    Im ersten Augenblick wollte Ciara ihr widersprechen und sagen, dass Simon von Kirchberg als großer Held nicht so bescheiden auftreten könne wie sein Vetter. Dann aber erinnerte sie sich daran, wie dieser am Abend zuvor Ferdinands Taten als belanglos hingestellt und sein eigenes Mitwirken bei der Schlacht gegen Bagenals Truppen dick herausgestrichen hatte.

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