Feuertod
schon allein aus purem Pflichtgefühl.
Leichter gesagt als getan.
Sonnenstadt – Orion IV
Während seiner Arbeit hörte Seamus regelmäßig Musik, weil es ihm half, seinen Verstand zu leeren. Ein leerer Verstand dachte besser – zumindest in seinem Fall.
Als die Musik also plötzlich unterbrochen wurde, schreckte er von seiner Arbeit hoch und schnitt sich mit einem Laserskalpell in den Finger. Zu seinem Glück bemerkten die Sensoren des Lasers es und schalteten ihn ab, bevor die Verletzung von einem schmerzhaften Kratzer zu einem amputierten Finger mutierte.
Was ihn so erschreckt hatte war die Stimme der Nachrichtensprecherin gewesen, als sie, eindeutig schockiert, meldete: „Anschlag auf das Unions-IT Gebäude! Vor wenigen Minuten evakuierte das Militär das Gebäude nach einer Bombendrohung. Kurz darauf kam es vor dem Gebäude zu einer Schießerei mit mindestens einem Toten.“
Für mehrere Sekunden, die sich für ihn wie Stunden anfühlten, saß er einfach nur da und starrte panisch auf seinen verletzten Finger.
Julia!
Sie war auf dem Weg zur Arbeit gewesen. War sie schon dort angekommen, bevor sich der Zwischenfall ereignete? War sie die Tote?
Nein, sie kann nicht tot sein. Vor einer Stunde ist sie noch in meinen Armen aufgewacht. Sie kann nicht…
Er hoffte, auf die zweite Stimme in seinem Kopf. Hoffte, dass sie etwas Aufbauendes sagte. Dass sie ihm half. Irgendwas. Aber sie schwieg. Schwieg ausgerechnet jetzt.
Er bemerkte kaum, wie er zum MediCom an der Wand ging und seinen Finger davor hielt, um die Wunde versorgen zu lassen. Andere Dinge waren wichtiger.
Sollte er hier bleiben? Sollte er Julia anrufen?
Anrufen! Warum habe ich nicht…?
Er tippte Julias Nummer in seinen Computer ein, aber bekam auch nach längerem Klingeln keine Antwort.
Was nun?
Er schaute auf seine Arbeit, aber die Formeln, die ihm eben noch durch den Kopf gegangen waren, während er Teile für seinen Teilchenbeschleuniger zuschnitt, waren wie weggeblasen. Arbeiten schied also aus. Etwas essen, um sich abzulenken?
Er hatte noch nicht gefrühstückt, aber, so angespannt wie er war, bezweifelte er, dass essen eine sonderlich gute Idee war. Er würde entweder nichts runterbekommen oder sein Essen nicht bei sich behalten können. Wollte er wirklich wissen, was von beidem der Fall war? Nein, ganz sicher nicht. Also schied essen auch aus.
Wofür er sich schließlich entscheiden konnte war, dass er nicht allein sein wollte. Ohne seine Arbeit zusammenzupacken ging er also zu Ribs Labor. Sein Freund würde ihn auf andere Gedanken bringen. Oder ihm zumindest zuhören und für ihn da sein, falls er Julia… Er wollte nicht daran denken.
…
tot ist.
Er hatte daran gedacht – und der Gedanke saß schwer in seinem Magen.
Ribs Labor war verriegelt, aber das interessierte Seamus nicht. Er gab seinen Überbrückungscode ein und betrat das Labor.
„Hey, hast du nicht mehr alle Tassen…“, schrie sein Freund ihn an, aber als er Seamus aschfahles Gesicht sah, unterbrach er sich und legte den Laser beiseite, mit dem er gerade noch auf einen Dummy geschossen hatte.
„Seamus? Was ist los?“, sprach er stattdessen in sanftem Tonfall weiter.
Nachdem sie einen Blick auf die Kamerabilder geworfen hatte, war Ranai froh, das Risiko auf sich genommen zu haben. Sie hatte mehrere Gefangene im fünften Stock entdecken können, die offenbar als Druckmittel gegen die überlebenden Verteidiger im siebten Stockwerk eingesetzt wurden – das hatte sie aus den Bildern und dem abgehörten Funkverkehr schließen können.
Sie hatte die Kameras daraufhin schnell wieder deaktiviert, damit sie sich selbst unbemerkt bewegen konnte. Mittlerweile wusste das Militär zwar, dass jemand im Gebäude war, weil sie die Toten im Foyer entdeckt hatten, aber sie wussten nicht, wo sie sich befand oder mit wie vielen Personen sie es zu tun hatten. Die Theorien im Funk rangierten zwischen drei und fünf Männern, niemand schien zu glauben, dass sie allein und eine Frau war.
Männer… glauben automatisch immer daran, dass nur sie die dreckigen Aufgaben bewältigen könnten.
Nicht, dass sie das störte. Ganz im Gegenteil. Verschaffte ihr einen enormen Vorteil, wenn es zu einer Konfrontation kam – und dazu würde es zwangsläufig kommen, schließlich würde sie die Konfrontation suchen.
Sie löste sich aus der Ecke im Treppenhaus, in der sie sich versteckt hatte, als die Kameras aktiv waren, und begann den Aufstieg. Das Treppenhaus selbst war
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