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Feuerwasser

Feuerwasser

Titel: Feuerwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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Indizien lassen uns schließen, dass Sie es entgegen Ihren Beteuerungen doch getan haben.
    Abderhalden: Indizien?
    Spring: Wir haben einen Chip aus Kohlers Digitalkamera gefunden. Darauf ist der Hergang dokumentiert.
    Abderhalden: Wie ich auf Grünig schieße?
    Spring: Und die Leiche im Zustand der progressiven Verwesung.
    Abderhalden, zögerlich: Dann hat das Leugnen keinen Sinn mehr. Ich geb’s zu.
    Spring: Erzählen Sie mir, wie es abgelaufen ist.
    Abderhalden: Was soll ich sagen, wenn Sie es doch bereits wissen?
    Spring: Ich will es von Ihnen hören.
    Abderhalden: Gut. Ich habe Kurt Grünig zum Schafloch bestellt. Als er über die steile Geröllrampe des Lawinenhangs hochgekommen und über die Treppe geklettert ist, habe ich ihn aus dem Truppenunterstand im Schafloch heraus erschossen. Er ist hinter die Mauer gefallen, sodass ihn niemand gesehen hat. Ich konnte ihn erst am nächsten Morgen in den Schützenstand hochzerren, denn ich wollte ja nicht blutverschmiert nach Hause zurückkehren.
    Spring: Sie mussten doch damit rechnen, dass Grünig früher oder später gefunden würde, denn es kommen ab und zu Wanderer ins Schafloch.
    Abderhalden: Ja, aber Sie haben die Leiche gesehen, als sie gefunden wurde. Noch ein paar Tage mehr, und man hätte kaum auf den EKW-Mann geschlossen.
    Spring: Haben Sie wirklich gedacht, Sie könnten damit das Staudammprojekt zu Fall bringen?
    Abderhalden: Nein, aber Zeit gewinnen. Denn wenn Kohlers Angaben zu den Felsbildern stimmen, hätten sie meine Argumente unterstützt, und die Chancen der EKW wären deutlich gesunken. Ich habe meine miserable Ausgangslage wohl gesehen. Aber das Ziel stand klar vor meinen Augen, nur wusste ich nicht, wie ich dorthin gelangen sollte. Ich war auf mich allein gestellt.
    Spring: Ich habe den Eindruck, Sie wussten von den Fotos?
    Abderhalden: Ja. Ich bin erpresst worden. Man hat mir eine E-Mail mit einem Bild der verwesenden Leiche geschickt. Wie hätte der Erpresser auf meinen Namen kommen sollen, wenn er nicht gewusst hätte, dass ich der Täter war?
    Spring: Sie waren der wahrscheinliche Verdächtige, man hätte auch einfach mal einen Versuch machen können, ob Sie zahlen oder nicht.
    Abderhalden: Was hätte ich denn tun sollen? Mir blieb doch keine andere Wahl.
    Spring: Es gibt immer eine andere Wahl als Mord.
    Abderhalden: Aber wenn man einmal angefangen hat …
    Spring: Sie sind auf dem Flüelaui-Weg heraufgekommen und hätten uns dasselbe Alibi aufgetischt wie bei Andreas Kohler?
    Abderhalden: Ja.
    Spring: Sie wussten, dass der Senn ganze Nachmittage bei der Käserin auf Groß Mittelberg verbringt?
    Abderhalden: Ja.
    Spring: Also haben Sie auch den Schwarzbrenner auf dem Gewissen.
    Abderhalden: Ja. Es ist mir klar geworden, dass er nicht auf meiner Seite steht und dass er der Erpresser ist.
    Spring: Aber sie haben nicht geschossen.
    Abderhalden: Doch. In die Luft, um einen Steinbock zu erschrecken, der dann in Richtung Kohler davongejagt ist.
    Hier beendete der Störfahnder seinen Vortrag aus dem Vernehmungsprotokoll und schloss: »Hätte man vor 100 Jahren den Steinbock nicht wieder in den Alpen angesiedelt, würde Kohler heute noch leben.«

    In der hinteren Ecke des Lokals putzte sich inzwischen eine verwilderte Katze die Pfoten, die nur sich selbst gehörte und die sie Ginger genannt hatten, ein hellbrauner Kater mit Löwenkopf und robustem Vorderkörper. Baron Biber hingegen war eher das verkleinerte Abbild eines Tigers. Henry wusste nicht, ob Baron Biber auf Ginger, den er sonst gewähren ließ, etwas wütend war, denn Ginger war ein ungebundener Moudi, nicht kastriert und in der Aufbauphase für die Suche nach einer Katze, die es in kühlen Nächten mit einem dannzumal schwergewichtigen Rabauken aufnehmen müsste. Jedenfalls sprang Baron Biber von Henrys Beinen und setzte sich Ginger gegenüber. Plötzlich begann ein Kampf zwischen den beiden, der eher einem Ballett trunkener Boxer glich als einer mit Krallen und Bissen ausgefochtenen Auseinandersetzung. Die Kater erhoben sich auf ihre Hinterpfoten und schlugen aufeinander ein mit steifen Pranken, eine Kissenschlacht auf schwankendem Boden, die schnell wieder verebbte und beide etwas ratlos zurückließ. Dann zog Ginger seiner undurchsichtigen Wege. Er würde die Herbsttage nutzen, um weiter Fett anzusetzen, im Frühling würde er für Wochen verschwinden und später zurück schleichen, erschöpft und abgemagert, froh um ein ruhiges Plätzchen, ohne Ansprüche auf ein eigenes

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