Feuerwellen: Ein erotischer Roman (German Edition)
schaute ihre Freundin durchdringend an. »Das ist alles nicht witzig, weißt du. Du bist eine gestandene Frau und kein Fickfrosch, wie mein Ex solche Weiber immer bezeichnete. Und nun«, sie nahm dankend das bestellte Buttercroissant entgegen und tunkte es erneut ein, »und nun treibst du es auch noch mit dem Assistenten deines Vaters hinter dem Chinesischen Pavillon?« Amelie schüttelte verständnislos mit dem Kopf. »Was ist los mit dir? Schlägt deine Libido Purzelbäume, oder hast du gerade die Promiskuität für dich entdeckt? Machst du ein Praktikum, um bald nachts im Puff zu arbeiten? Ich verstehe dich nicht, Phoebe.« Der letzte Satz hatte traurig geklungen. Amelie nahm einen Löffel und fischte nach einem Croissantstück. Es war schon wieder passiert. Immer brach die verdammte Spitze ab. Amelie seufzte. Phoebe schluckte.
»Ehrlich gesagt, Amelie, weiß ich auch nicht, was mit mir los ist.« Phoebe rührte laut in ihrem fast leeren Macchiato-Glas herum.
»Ich weiß, dass ich mich gerade total bescheuert verhalte, aber ich kann nicht anders.«
»Ich kann nicht anders«, äffte Amelie sie nach. »Du hast jeden Realitätssinn verloren. Was du machst, hat nichts mit selbstbestimmtem Handeln zu tun. Es ist einfach nur daneben. Und noch was: Dariusz geht auf dem Zahnfleisch. Und soweit ich weiß, ist er der einzige Mann in dieser hormongeschwängerten Erotikwelt, der wirklich was für dich übrighat. Warum machst du nicht wenigstens mit ihm Schluss, bevor du dich von allen möglichen Kerlen durchnudeln lässt?« Mit einer resoluten Geste schob Amelie die Kaffeeschale zur Seite und suchte nach ihrem Portemonnaie. Phoebe saß wie versteinert auf ihrem Hocker und blickte starr auf das Treiben der Friedrichstraße.
»Woher weißt du, dass es Dariusz nicht gutgeht?«, fragte sie fast tonlos.
»Weil er mich gestern Abend angerufen hat«, erwiderte Amelie, legte ein paar Münzen auf den Tisch, schloss ihre Tasche und stand auf. Dann legte sie Phoebe kurz ihre Hand auf die Schulter.
»Ich weiß, dass du mich jetzt zum Kotzen findest, Phoebe. Andersherum wäre es genauso. Aber Freunde sind dafür da, die Wahrheit zu sagen, auch wenn die manchmal unangenehm ist.«
Phoebe erwiderte nichts. Durch einen Tränenschleier hindurch beobachtete sie, wie Amelie die Straße überquerte und hinter der nächsten Häuserfront verschwand. Ihre Freundin hatte recht. Warum benahm sie sich auf einmal so? Steckte dieser Trieb vielleicht in ihr, und jetzt durfte sie ihn zum ersten Mal ausleben? Oder wollte sie sich einfach nur betäuben? Phoebe putzte sich die Nase, zahlte, dann schrieb sie Leon eine SMS, dass sie Dariusz im Atelier besuchen und deshalb heute nicht mehr in die Galerie kommen würde. Leons Antwort war ein einziger Smiley. Kindskopf, dachte Phoebe und machte sich auf den Weg. Die Standpauke von Amelie hatte die gewünschte Wirkung erzielt. Seit Wochen dachte Phoebe zum ersten Mal wieder an ihre Beziehung zu Dariusz und an das, was sie eigentlich miteinander verband. Hatte sie ihn in den letzten Tagen vermisst? Nein, das hatte sie nicht, das musste sie sich wohl oder übel eingestehen. Zu viele neue Eindrücke waren auf sie eingeprasselt, und sie hatte sich dabei von ihm entfernt. Als Phoebe vor der ehemaligen Lagerhalle parkte und seinen hellblauen Lieferwagen dort stehen sah, bekam sie Herzklopfen. Sie war befangen, fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Wenn Dariusz sie gleich fragen würde, was sie ohne Einladung in seiner Komfortzone zu suchen hätte, würde sie nichts zu erwidern wissen. Sie drückte auf den großen Knopf, mit dem sich das Rolltor von außen öffnen ließ und sah ihn an seiner Werkbank stehen. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und gestikulierte wild. Seine schwarze Mähne hatte er unter eine Wollmütze gestopft. Obwohl sie betont laut ausschritt, drehte er sich erst um, als sie fast neben ihm stand. Sein Blick war nicht unfreundlich, eher gleichgültig, dann hob er die Hand kurz zum Gruß und wandte sich gleich darauf wieder der Person zu, mit der er anscheinend im angeregten Gespräch war. Ungehalten verdrehte Phoebe die Augen. Leon saß vor Dariusz auf dem Sofa. Sein monochromes Styling hatte in etwa die Farbe von Dariusz’ Lieferwagen. Im Gegensatz zu dem Künstler schien Matthews Assistent sich über ihr Erscheinen zu freuen. Auffordernd klopfte er auf das Kissen neben sich. Phoebe merkte, dass ihr ein natürliches Lächeln nicht glaubhaft gelingen würde. Sie griff nach der Bierflasche, die
Weitere Kostenlose Bücher