Feuerwogen
der lässige Gruß blieb ihm im Hals stecken. Er erstarrte.
Das Boot war die
Pretty Saro.
Er erkannte ihre Leinen, noch bevor er den Namen auf dem Rumpf lesen konnte. Und der Fischer war Bart Hunter.
Sein Vater.
Er war alt geworden.
Dylan hatte seinen Vater natürlich schon vorher gesehen, auf der Hochzeit. Aber ohne Anzug, draußen im Sonnenlicht, traf ihn diese Erkenntnis mit neuer Wucht.
Bart Hunter war immer schon ein breiter Mann gewesen. Dylan hatte seine Größe geerbt, Caleb seine Schultern und die ausladenden, quadratischen Arbeiterhände. Aber die Jahre oder die Trinkerei hatten ihn ausgezehrt, sein Gesicht gegerbt und sein Haar gebleicht – bis er wie ein altes Rundholz aussah, kahl und grau. Menschlich. Alt.
Wie hatte Dylan jemals Angst vor ihm haben können?
Sie starrten einander über den immer kleiner werdenden Streifen Wasser hinweg an.
Auf der Hochzeit hatten sie kaum miteinander gesprochen. Dylan hatte dem Mann nichts zu sagen, der seine Mutter vierzehn Jahre lang gefangen gehalten hatte.
Aber bevor er sich aus dem Staub machen konnte, warf ihm Bart ein Seil zu.
Dylan fing es automatisch auf. Alte Gewohnheiten ließen sich schwer ablegen. Er war acht oder neun gewesen, als er angefangen hatte, für seinen Vater zu arbeiten – harte, nasse, schmutzige Arbeit in zu großen Stiefeln und Gummihandschuhen.
Dylan vertäute die Leine und verfluchte die Erinnerungen, die so heftig an ihm zerrten wie ein Seil.
Und dann drehte er sich um und ging wortlos davon.
»Verurteile mich nicht, Junge«, rief Bart ihm nach. Die Worte polterten wie Steine zwischen seinen Schulterblättern. »Du darfst mich nicht verurteilen.«
Dylan sah nicht zurück.
Er stieg hinauf zur Straße, die vom Kai wegführte. Das dringende Bedürfnis zu fliehen schwoll in ihm an; es krümmte sich in seinen Eingeweiden und krallte sich unter seine Haut.
In dem vergeblichen Versuch, das wilde Tier in seinem Bauch zu besänftigen, atmete er tief die kühle Meeresluft ein. Er brannte vor Verlangen, nach einer Frau, nach der See, und beide Arten von Hunger verbanden sich und fraßen ihn von innen her auf. Er kämpfte den Drang nieder, zurückzulaufen und vom Pier zu springen, in den Tanz unter den Wellen einzutauchen, in das Leben, das dort lauerte, hin und her schoss, schaukelte, dahinströmte in den schwankenden Kelpwäldern, in der kalten, tiefen Dunkelheit. Alles Denken mit Empfindung auszulöschen. Den Makel des Menschseins von seiner Seele zu waschen.
Wie ertrug Conn das?
Innerhalb der Grenzen von Sanctuary hatte der Prinz länger als jeder andere lebende Selkie an seiner menschlichen Gestalt festgehalten. Aber er würde die Zauberinsel nicht verlassen. Er konnte es nicht riskieren, zu altern.
Dylan holte noch einmal tief Luft. Nach Selkie-Maßstäben war er jung – nicht einmal vierzig. Er konnte Wochen, Jahre an Land verbringen, und noch immer würde er seinem wahren Alter nicht einmal nahe kommen. Zumindest würde er an dieser Erfahrung nicht sterben. Es sei denn, der Frust brächte ihn um.
Er hob den Blick vom Asphalt. Oben, am Ende der gewundenen Straße, blitzte die rote Markise des Restaurants wie ein Segel im Sonnenuntergang.
Der schlüpfrige Knoten in seinem Bauch lockerte sich. Einen Hunger konnte er doch stillen.
Er wollte sie nur sehen, weil es seinen Zwecken diente, redete Dylan sich ein, als er die Straße zur Fähre passierte. Sein öffentliches Interesse an Regina lieferte ihm einen Vorwand, das Kommen und Gehen der Menschen zu beobachten und sich ihre Klatschgeschichten anzuhören. Wenn wirklich ein Inselbewohner von einem Dämon besessen war, würden seine Nachbarn aller Wahrscheinlichkeit nach am nächsten Tag bei Antonia über einer Tasse Kaffee sein seltsames Verhalten besprechen.
Und doch …
Er wollte sie sehen. Er freute sich auf die Vorsicht, die sich in ihre Augen schlich, wenn er durch die Tür trat, auf das herausfordernd gereckte Kinn, den Ärger in ihrer Stimme. Es gefiel ihm, sie durch die Durchreiche in der Küche zu beobachten, ihre raschen, präzisen Bewegungen, ihre kleinen, starken Hände, den ungeduldig zusammengepressten Mund. Er lächelte, während er sich ihr Bild in Erinnerung rief. Immer beschäftigt, immer in Bewegung, wie ein Vogel am Rande der Flut.
Er stieß die Restauranttür auf, so dass die Glocke darüber ertönte. Die Restaurantkatze hob den Kopf von ihrem Thron im Fenster und blickte ihn aus schläfrigen, goldfarbenen Augen an.
Margred war gerade dabei, ihre
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