Feuerwogen
zurecht. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war, dass ihr Ausrutscher vom Strand ihren Sohn noch bei seinem unverantwortlichen Verhalten unterstützte. Sie machte eine ruckartige Kopfbewegung Richtung Küchentür. »Nach oben«, wiederholte sie.
»Freust du dich nicht, mich zu sehen?«, wollte Dylan wissen.
Regina starrte ihn finster an, während sich ihr Magen gleichzeitig überschlug. »Nicht besonders.«
»Sie sind doch der Junge von Bart«, mischte sich Antonia plötzlich ein. »Der ältere. Was machen Sie hier?«
»Ja, Dylan, was machst du hier?«, ließ sich nun auch Margred vernehmen.
Reginas Kopfschmerzen waren mittlerweile so stark, dass ihr Nacken zu schwach für diese Last zu sein schien. Acht lange Jahre hatte sie wie eine verfluchte Nonne gelebt. Acht Jahre, in denen sie die Klatschmäuler zum Schweigen gebracht und sich von ihren vergangenen Fehlern reingewaschen hatte. Ein lausiger Fehltritt in acht Jahren, und er folgte ihr nach Hause wie ein Hündchen.
Das Leben war so ungerecht.
Dylan lächelte Regina ins Gesicht, arrogant und selbstsicher und cool. »Ich erforsche die örtlichen … Sehenswürdigkeiten.«
»Geh irgendwo anders weiterforschen«, sagte sie. »Ich arbeite.«
»Das muss dir nicht peinlich sein«, entgegnete er leise.
Antonias Augen verengten sich. »Warum sollte ihr das peinlich sein?«
Regina biss die Zähne zusammen. »Das ist es nicht. Ich bin nur beschäftigt.«
Dylan sah sich in dem leeren Restaurant um und hob eine Augenbraue. »Ich kann warten.«
»Dann wirst du lange warten müssen.« Sie wuschelte ihrem Sohn durchs Haar und ignorierte den schmerzhaften Stich in ihrer Brust, als er sich unter ihrer Berührung wegduckte. »Geh schon, Nick.«
»Ich komme wieder«, meinte Dylan.
Sie starrten einander an. Regina spürte eine Enge in ihrem Brustkorb wie von einem Schluckauf, während ihr Kopf vor Lust ganz leer wurde. Das war schlecht. Sie musste atmen, sie musste nachdenken, und beides konnte sie nicht, solange er sie mit diesen dunklen Augen fixierte, die nicht lächelten.
»Meinetwegen«, erwiderte sie. »Ich meine es ernst.«
Zu ernst, dachte sie, als sie nach oben floh, um Nick eine Gardinenpredigt über Regeln und Verantwortung zu halten.
Ihr war Dylan lieber gewesen, als er nur eine Phantasie gewesen war.
Und wie eine Phantasie fuhr Dylan fort, sie heimzusuchen, in den unpassendsten Momenten aufzutauchen und sie von der Arbeit abzuhalten.
Eine ganze verdammte Woche lang kam er täglich ins Restaurant und wollte dies und das: eine Tasse Kaffee, sich mit Margred unterhalten, ein Sandwich. Niemals zur gleichen Zeit, so dass Regina sich gegen den kleinen Stromstoß hätte wappnen können, den es ihr jedes Mal versetzte, wenn sie ihn sah, so dass sie sich eine Arbeit in der Küche hätte suchen können.
Außerdem hatte sie etwas dagegen, sich in ihrem eigenen verfluchten Restaurant herumscheuchen zu lassen. Im Restaurant ihrer Mutter.
Sie konnte auf sich selbst achtgeben. Sie war achtzehn gewesen, als sie nach Boston abhaute – und Frischfleisch für das Servicepersonal, das stets verkatert, geil oder high war. Sie hatte die lüsternen Blicke und spanischen Kommentare der Hilfskellner ignorieren gelernt; hatte gelernt, ihre Ellbogen einzusetzen – und ein Ausbeinmesser, als sie gegen den Ofen gedrängt oder im Kühlraum in die Ecke getrieben worden war.
Dylan rührte sie nicht an. Er sprach kaum mit ihr. Regina fragte sich, ob er überhaupt kam, um sie zu sehen, oder ob er seiner Schwägerin hinterherschnüffelte. Dieser Gedanke gefiel Regina aus diversen Gründen gar nicht.
Aber es war nicht Margred, die er beobachtete.
Regina verrichtete normal ihre Arbeit, schrieb das Tagesessen auf die Tafel oder stellte Teller in die Durchreiche, und immer, wenn sie aufsah, ertappte sie ihn dabei, wie er sie aus dunklen Augen anstarrte, ganz wie der grüblerische Held aus einem Liebesroman. Regina erschauerte. Es war pervers erregend. Lästig. Die Leute begannen schon zu reden.
»Hast du nichts Besseres zu tun?«, zischte sie leise.
In der Nähe der Tür saß ein Paar, das mit Kameras und Wasserflaschen behängt war und die Speisekarte auswendig lernte. Nick spielte unter einem der Tische mit der Katze.
Dylan sah sie einen Augenblick an. Ein Mundwinkel zuckte. »Nein.«
»Kannst du nicht irgendwo anders hingehen? Dir einen Job suchen?«
»Ich habe hier einen Job zu erledigen.«
»Du bist doch kein Hummerfischer.« Die Hummerfischer, zumindest die
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