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Feuerwogen

Feuerwogen

Titel: Feuerwogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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wie eine Kette. Dylan atmete durch die zusammengebissenen Zähne; die Bürde des Scheiterns lastete auf seiner Brust wie der Druck beim Tauchen in großen Tiefen. Er war kein Wächter oder Polizist. Er hatte weder Conns Macht noch Calebs Position. Aber er war hier. Regina zählte auf ihn. Nick brauchte ihn. Er musste eine Verbindung zu Nick finden.
    Oder das Kind konnte sterben.
    Dylan knirschte mit den Zähnen. Was wusste er über Verbindungen und Bindeglieder? Er hatte die letzten zwanzig Jahre damit verbracht, den Kontakt mit Menschen zu meiden und alle menschlichen Bande zu kappen. Er war nicht in seinem Element, hatte er Regina gestanden. Überfordert. Aber er wollte verflucht sein, wenn er sie auf Gedeih und Verderb sich selbst überlassen würde.
    Die See tastete sich mit langen, bleichen Fingern über die Felsen und leckte an seinen Füßen. Durch die Wolken schimmerte der Mond wie eine Silbermünze auf dem Boden eines Eimers.
    Dylan verschlug es den Atem.
Wie eine Silbermünze …
     
    »Blutungen, ja«, sagte Antonia am Telefon. Regina beobachtete sie benommen von ihrem Küchenstuhl aus. »Ich weiß nicht, ich frage sie. Hast du dich übergeben?«, wandte sie sich an ihre Tochter.
    Regina schluckte angestrengt und schüttelte den Kopf. Sie hatte dieses Baby nicht gewollt. Es war ein Fehler gewesen. Eine Unannehmlichkeit. Eine Katastrophe. Aber jetzt war es ihr Baby, ihres und Dylans. Sie kreuzte die Arme über dem Bauch, als könnte sie es so in sich behalten.
    »Kein Erbrechen«, gab Antonia an die Ärztin weiter. Ihre Finger waren fast blau und um die Telefonschnur gewickelt. »Nein, wir haben kein Fieber gemessen. In Ordnung. Ja, das machen wir. Ich richte es ihr aus.«
    Antonia legte auf. »Donna will dich in der Praxis sehen. Sie steht in zehn Minuten vor der Tür, um dich abzuholen.«
    Regina biss sich auf die Lippen. »Kann sie mich nicht hier untersuchen? Das Telefon …«
    Antonia machte ein entschlossenes Gesicht. »Ich kümmere mich um das Telefon. Und du kümmerst dich um dich.«
    Um sie und das Baby. Reginas Hand fasste nach dem Kreuz an ihrem Hals, befühlte die Perle. Ihr Sohn war irgendwo da draußen, verschollen. Sie durfte nicht auch noch dieses Baby verlieren. Der Himmel konnte nicht so grausam sein.
    »Zehn Minuten?«
    »Das hat sie gesagt.« Antonia kniff den Mund zu einer harten, grimmigen Linie zusammen. Ihre Augen waren dunkel und besorgt. Sie holte die Zigaretten aus der Tasche ihrer Schürze und steckte sie wieder zurück. »Brauchst du noch etwas von oben?«
    Regina zwang sich um ihrer Mutter willen zu einem Lächeln. »Danke, Ma. Ich brauche nichts.«
    Antonias abgearbeitete Hand fuhr ihrer Tochter übers Haar. »Du bist die Beste.«
    Ein weiterer Krampf traf sie wie ein Dolch. Regina schloss die Augen und lehnte sich an ihre Mutter.
     
    Dylan rief den Wind auf, bis die Segel sich so blähten wie der Vollmond. Ein weiteres Zeichen?, fragte er sich. Oder eine Illusion?
    Der Silberdollar, den er Nick gegeben hatte, funkte ein stetiges Signal wie der Leuchtturm am Ende der Insel oder ein Fleck auf Conns Weltkarte. Das Wasser kräuselte sich weiß unter dem Bug, der dem Zug der Münze folgte, so wie eine Kompassnadel vom magnetischen Nordpol angezogen wurde. Das Boot fuhr wie von Zauberhand zwischen der Dunkelheit und der Tiefe dahin, zwischen der unermesslichen Weite dort unten, die vor Leben wimmelte, und einer noch größeren Weite, die mit Sternen besetzt war. Dies war Dylans Element. Er fletschte die Zähne. Die Dämonen waren in sein Revier eingedrungen.
    Aber es gab tausend Inseln vor der Küste von Maine, die meisten von ihnen unbewohnte Festungen aus Fichten und Fels, Aufwerfungen geschmolzener Magma durch die Erdkruste. Nick konnte überall dort versteckt sein. Oder auf dem Grund des Meeres liegen. Die Feuerbrut konnte ihn über Bord geworfen haben, als Warnung oder einfach aus Bosheit.
    An einem anderen Strand wehklagten die Seevögel über etwas Totem.
    »Er ist für sie nicht von Wert.«
    »Bitte – bring ihn mir zurück.«
    Dylan umklammerte das Steuerruder noch fester und dachte an die Münze, konzentrierte sich auf sie. Solange er diesen kleinen, vielversprechenden Zug spürte, erlaubte er sich noch zu hoffen.
     
    »Du solltest dir nicht die Schuld geben.« Donna Tomahs Stimme war sanft und mitfühlend, ihr Blick hell und kalt. Regina presste die Oberschenkel zusammen; sie fröstelte unter dem dummen Papierkittel. »Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass sexuelle

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