Feurige Begegnung auf Mallorca
„Hören Sie, Señor Suárez“, sagte sie, bemüht, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. „Ich habe diesen Weg gewählt, weil ich befürchtete, anders nicht an Sie heranzukommen.“
„Zu Recht. Aber nun interessiert es mich zunächst einmal, woher Sie überhaupt wussten, dass ich hier bin.“
„Nun“, sie lächelte schwach, „sagen wir einmal so: Information ist das Wichtigste im Geschäftsleben, das sehen Sie doch ganz bestimmt auch so, nicht wahr?“
„Sie haben also Erkundigungen über mich einholen lassen. Oder sind Sie mir gefolgt?“ Er winkte ab. „Aber im Grunde spielt das auch keine Rolle. Wie lange bleiben Sie noch auf Mallorca?“
„Eine Woche.“ Hoffnung keimte in Jenna auf. Wenn er das wissen wollte, war er offenbar zumindest nicht abgeneigt, ein unverbindliches Gespräch mit ihr zu führen. Rasch zog sie eine ihrer Visitenkarten aus der Tasche und reichte sie ihm. „Bitte, nehmen Sie. Da steht auch meine Handynummer drauf, unter der Sie mich hier erreichen können. Ich wohne im Hotel Playa del Sol.“
Ohne einen Blick auf die Karte zu werfen, nahm er sie an sich und steckte sie achtlos in die Hemdtasche. „Nun, Señorita, ich empfehle Ihnen, die restlichen Tage auf dieser schönen Insel als Urlaub zu betrachten. Geschäftlich gibt es für Sie nämlich hier rein gar nichts mehr zu erledigen.“
Mit diesen Worten wandte er sich ab, stieg in seinen Wagen und ließ den Motor an. Eine Sekunde später fuhr er mit quietschenden Reifen davon.
Es gab Tage, an denen erkannte Tómas Suárez sich selbst nicht wieder.
Heute war einer davon.
Nachdenklich lenkte er seinen schnittigen Sportwagen die Küstenstraße entlang, die nach Pollença führte. Dabei fiel sein Blick immer wieder auf das Meer, das im strahlenden Sonnenschein glitzerte wie ein Ozean aus Diamanten. In weiter Ferne, wo das Wasser den wolkenlosen hellblauen Himmel zu berühren schien, konnte er die imposanten Umrisse eines Luxusliners ausmachen, der durch die türkisblauen Gewässer vor Mallorca kreuzte.
Tómas seufzte schwer. Obwohl diese Aussicht ihn jedes Mal aufs Neue faszinierte, konnte er sie jetzt nicht wirklich genießen. Immerzu musste er an die junge Frau denken, die ihn eben im Hafen von Portocristo angesprochen hatte.
Er war selbst verwundert über sein ruppiges Benehmen, das ihm jetzt auch schon wieder leidtat.
Zweifellos gab es dafür einen Grund: Er hatte sich ganz einfach vollkommen überrumpelt gefühlt. Zwar hielt er sich einmal in der Woche auf dem Boot von Miguel Cabézon auf, und das immer am selben Tag zur selben Stunde, aber kaum jemand wusste davon. Es hatte nichts mit seinem Leben von heute zu tun, sondern glich vielmehr einem Ausflug in die Vergangenheit, zu den Wurzeln seines Daseins.
Sein Blick fiel in den Rückspiegel. Den mürrisch dreinblickende Mann, der ihm daraus entgegensah, konnte er im Grunde selbst nicht so recht leiden. Als Kind und in seiner frühen Jugend war er ganz anders gewesen. Fröhlich, unbeschwert, neugierig auf alles, was es zu entdecken gab. Doch davon schien heute nicht mehr viel übrig geblieben zu sein.
Sicher hatte das Leben damals auch seine Schattenseiten gehabt. Als Sohn eines kleinen Kaufmanns war er in recht ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Seine Eltern hatten jede Peseta zwei Mal umdrehen müssen, und oft hatte das Geld nicht einmal bis zum Monatsende gereicht, aber trotzdem erfüllten ihn die Erinnerungen an damals mit Glück und Zufriedenheit.
Doch dann war mit einem Schlag alles zerstört worden. Er erinnerte sich noch genau an den Tag kurz nach seinem vierzehnten Geburtstag, als …
Er schüttelte den Kopf. Nein, nicht schon wieder!, ermahnte er sich selbst. Denk nicht schon wieder über früher nach!
Aber er konnte nicht anders, und zumindest heute war das nicht einmal seine Schuld. Warum auch hatte diese Mitarbeiterin von Eurostores hier auftauchen und ihn in seiner Ruhe stören müssen?
Und wieso wollte ihm diese Frau einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen?
Es stimmte: Seit er vor etwa zehn Minuten mit quietschenden Reifen losgefahren war, musste er immer wieder an sie denken. Und das, obwohl er sie doch gar nicht kannte und obwohl sie ihm eigentlich aufgrund ihres Jobs eher unsympathisch sein sollte. Aber sie hatte etwas an sich, das ihn faszinierte.
Er dachte an ihre Augen, die grünblau waren wie das Meer an einem Sommertag, ihr blondes Haar und an ihre wundervoll geschwungenen Lippen, und er stellte sich vor, wie es wohl sein mochte,
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