Feurige Begegnung auf Mallorca
Vergangenheit zu hadern. Was geschehen war, ließ sich nicht mehr ändern, und sie musste sich jetzt erst einmal Gedanken über ihr weiteres Vorgehen machen. Denn wenn es ihr nicht gelang, Tómas Suárez dazu zu bringen, einzulenken, verschenkte sie nicht nur die Chance, ihrem Vater doch noch zu beweisen, was in ihr steckte, sondern beraubte sich auch der Möglichkeit, ihm über Eric die Augen zu öffnen.
Eric war Vaters Liebling, praktisch der Wunschsohn, den er nie hatte. Es stand schon jetzt so gut wie fest, dass er die Leitung der Firma übernehmen würde, sobald ihr Vater sich zur Ruhe setzte, was aufgrund dessen gesundheitlicher Lage nur noch eine Frage der Zeit war.
Doch Jenna traute Eric nicht, und dafür gab es eine Vielzahl von Gründen. Aber solange ihr Vater sie nicht als Geschäftsfrau und ebenbürtige Partnerin respektierte, würde ihn auch ihre Meinung Eric betreffend nicht interessieren.
Und genau deshalb war es so wichtig für sie und letztlich auch ihren Vater, dass es ihr gelang, Tómas Suárez umzustimmen.
Sie durfte einfach nicht versagen!
Punkt sieben Uhr abends holte Tómas’ Fahrer sie im Hotel ab. Jenna schätzte den freundlichen Spanier auf etwa Anfang sechzig. Er erzählte ihr, dass er Javier hieß und sich auf Tómas Suárez’ Anwesen um die Gartenarbeit und alle anfallenden Tätigkeiten rund um das Haus kümmerte.
Die Fahrt verging dank Javiers Redseligkeit wie im Fluge. Hinzu kam die malerische Landschaft, die an ihnen vorüberzog und Jenna immer wieder aufs Neue faszinierte. Die Stadt Pollença schmiegte sich in ein Tal im Schatten des Kalvarienberges. Tómas Suárez’ Villa lag ein wenig außerhalb, man konnte sie nur über einen Privatweg erreichen, der ziemlich steil bergauf führte.
Als Javier den Landrover nun durch das geöffnete schmiedeeiserne Tor lenkte, hielt Jenna unwillkürlich den Atem an.
Das Anwesen sah aus wie aus dem Bilderbuch. In sanften Kurven führte die lange, von Kiefern gesäumte Einfahrt einen mit Zedern bewachsenen Hügel hinauf, von dem aus man einen fantastischen Ausblick bis hinunter zum Meer hatte. Oben auf der Anhöhe stand ein in typisch mediterraner Bauweise errichtetes Haus. Nein, es gleicht eher einem Palast, stellte Jenna fasziniert fest. Das mehrgeschossige Gebäude besaß gleich mehrere Terrassen und einen Turm, und im Schatten einiger hoher Palmen glitzerte türkisfarbenes Wasser in einem Pool.
„Wirklich beeindruckend“, murmelte Jenna, noch immer wie gebannt von dem Anblick.
„Nicht wahr?“ Javier nickte. Er sprach, wie schon die ganze Zeit über, Spanisch. „Warten Sie ab, bis Sie erst das Haus von innen sehen. Oder die Gärten.“
Er hielt vor dem großen Haus, und sie stiegen aus. Im selben Moment trat eine junge Frau aus der Villa. Sie war schlank und mittelgroß. Ihr ebenmäßiges Gesicht wurde von langem schwarzem Haar umrahmt, und mit ihren dunklen Augen schaute sie ein wenig schüchtern drein, was ihrer gesamten Haltung entsprach.
„Das ist Dolores, das Hausmädchen“, erklärte Javier. „Bitte folgen Sie ihr.“ Jenna nickte Javier noch einmal zu, dann ging sie hinüber zu der jungen Hausangestellten.
„Buenas tardes“ , begrüßte Dolores sie. „Herzlich willkommen in der Villa Calvario. Señor Suárez lässt ausrichten, dass er noch etwas Wichtiges zu erledigen hat und in wenigen Minuten bei Ihnen sein wird. Sie möchten bitte im Salon auf ihn warten. Kommen Sie, ich führe Sie hin.“
Jenna lächelte dankbar und folgte der Spanierin. Hatte das Haus von außen bereits einen unglaublichen Eindruck auf sie gemacht, so wurde ihr Staunen jetzt, als sie es betrat, noch größer: Alles war sehr modern und elegant eingerichtet. Die Möbel bestanden aus edlem Holz, und Jenna war sicher, dass jedes Stück ein kleines Vermögen wert war. Glänzender schwarzer Marmor bedeckte den Boden, sonst wirkte alles hell und einladend, wenn auch, wie Jenna fand, ein wenig steril. So, als habe die Person, die hier wohnte, einen Innenarchitekten mit der Einrichtung beauftragt. Die persönliche Note seines Besitzers fehlte.
„Señor Suárez wird gleich bei Ihnen sein“, erklärte Dolores mit einem scheuen Lächeln, bevor sie den Gast schließlich allein ließ.
Jenna atmete tief durch. Noch immer kam ihr alles so unwirklich vor. Nachdem sie sich ihre Niederlage bereits eingestanden hatte, war sie nun hier, im Salon von Tómas Suárez’ Privatanwesen, und würde gleich die Gelegenheit bekommen, über alles mit ihm zu sprechen.
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