Feuriger Rubin: Roman (German Edition)
unweit gelegene Atelier und stellte sie Charles Beale vor, der sie in einen Raum führte, in dem drei lebensgroße Porträts auf Staffeleien standen.
Velvet war überaus beeindruckt von den Farben und der feinen Detailarbeit. »Ihr seid ein großartiger Künstler, Mr Beale. Dieses Porträt George Saviles ist so lebensecht … ich habe Lord Halifax bei Gericht gesehen.«
»Danke, aber nicht ich bin der Künstler, Mylady. Meine Frau Mary Beale ist Malerin. Ich wickle nur das Geschäftliche ab.«
»Aber das ist ja wundervoll! Ihre Arbeiten sind genauso gut wie jene Lelys! Glaubt Ihr, dass sie mein Porträt malen würde, Mr Beale?«
»Es wäre für sie eine Ehre, Lady Montgomery. Für eine Frau ist es schwierig, sich als Künstlerin zu etablieren. Wenn Ihr Euch von Mary malen lasst, würden andere Damen folgen. Wollt Ihr hier durchgehen und sie kennen lernen?«
Velvet folgte ihm, und er stellte sie einer jungen Frau mit einem Baby vor. »Mein liebes Herz, das ist Lady Montgomery aus Whitehall, die gern von dir gemalt werden möchte.« Er nahm ihr das Baby ab. »Ich lasse euch allein, damit ihr euch unterhalten könnt.«
»Ihr müsst meinem Mann vergeben. Er ist so stolz auf mich und preist mich als große Künstlerin.«
»Nun, Ihr seid eine große Künstlerin. Mich wundert nur, dass er Euch arbeiten lässt, ohne sich von Eurem Talent bedroht zu fühlen. Die meisten Männer möchten das Heft in der Hand haben.«
»Ohne die Hilfe meines Mannes könnte ich das alles nicht schaffen. Er übernimmt alle geschäftlichen Dinge, bereitet die Leinwand vor, mischt manchmal sogar meine Farben und kümmert sich um das Baby.«
»Das macht einer unter Millionen, Mary. Erzählt mir, wie alles begann.«
Velvet erfuhr nun, dass Mary im Dörfchen Barrow in Suffolk als Tochter eines Geistlichen geboren worden war. Schon ihr Vater hatte ein wenig gemalt, sie selbst malte, seit sie denken konnte. In Kathryn, Lady Barrow, hatte sie eine Gönnerin gefunden, die ihr Malunterricht geben ließ. Da Marys Heimatort in der Nähe von Newmarket lag, versuchte sie sich zunächst an Porträts der Rennbesucher. In Newmarket war es auch, wo sie den großen Künstler Lely traf, dessen Auftraggeber aus dem Landadel der Umgebung kamen. Er ermutigte Mary, nach London zu kommen und ein Atelier zu eröffnen, und Charles Beale, den sie inzwischen geheiratet hatte, drängte sie, diese Chance zu ergreifen.
»Ich habe ein Selbstporträt in Arbeit. Wollt Ihr es sehen?« Mary deckte eine Leinwand ab, die auf einer Staffelei stand.
Velvet war wie vom Blitz getroffen. Es war ein Bild Marys mit ihrem Kind, beide waren nackt. »Ach, es raubt mir den Atem!«
»Ich hätte es malen sollen, ehe ich das Kind bekam«, sagte Mary lachend. »Meine Figur hat gelitten.«
»Aber nein, Ihr seht wundervoll aus.« Ich möchte nackt gemalt werden. Aber es wäre zu schockierend … ich könnte es doch nicht. Sei nicht so feige! Plötzlich wurde Velvet von Tollkühnheit und dem überwältigenden Verlangen erfasst, Wagemut und Trotz zu zeigen.
»Mary, würdet Ihr mich als Akt malen?«
»Natürlich, Mylady. Soll ich nach Whitehall kommen?«
»Nein, ich werde hier in Eurem Atelier sitzen.«
»Sehr gut. Wir wollen einen Terminplan erstellen.«
Als Velvet das Atelier verließ, musste sie so lachen, dass sie sich Halt suchend an die Mauer lehnte. Sie reckte ihr Kinn und sagte laut: »Das versuche zu überbieten, Barbara Palmer!«
21
Velvets Unbekümmertheit, die sie bei Hof als Fassade zur Schau trug, tat ihrem Ruf nicht gut. Seitdem es sich herumgesprochen hatte, dass die Montgomerys getrennt wohnten, war ihr Benehmen herausfordernd und ihr Lachen brüchig geworden.
Am Schießstand forderte sie Bess Lauderdale und Anna Marie Shrewsbury zu einem Wettkampf heraus. »Ich wette fünf Guineen, dass ich vor euch beiden ins Schwarze treffe.« Nach vielen verschossenen Pfeilen und unzähligen verlorenen Wetten, gelüstete es Velvet schließlich nach einer anderen Ablenkung. Die drei Damen schlenderten an der Hahnenkampfarena vorbei und blieben stehen, als sie den Tennisplatz erreichten.
Velvet erblickte Mary Butler, die ihrem Vater beim Tennisspielen zusah. Da es ihr ein dringendes Anliegen war, die junge Erbin vor Lord Cav zu warnen, wollte sie mit ihr ins Gespräch kommen. »Hallo, Lady Mary. Ich hoffe, Ihr seid wohlauf.«
Lady Mary schob eigensinnig ihr Kinn vor. »Sehr wohl, danke. Ich bin mit Lord Cavendish verlobt.«
»Mary, Ihr seid so jung. Lasst Euch doch Zeit.
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