Fever Pitch
erzielte Coventry Citys Tommy Hutchison nach einem phantastischen Sololauf einen Treffer. Er kam auf dem linken Flügel, etwa fünfunddreißig Meter vorm Tor, an den Ball, hinterließ eine Spur von Arsenalverteidigern in seinem Kielwasser und schlenzte die Kugel am herauslaufenden Geoff Barnett vorbei in die lange Ecke. Auf der Nordtribüne herrschte den Bruchteil einer Sekunde Schweigen, als wir die Fans von Coventry wie Delphine im Gästeblock, dem Clock End, herumtanzen sahen, und dann erhob sich der grimmige, einmütige und tiefempfundene Gesang »Wir treten Euch die Schädel ein.«
Ich hatte das schon früher gehört, klar. Für gute fünfzehn Jahre war das die formgerechte Antwort auf jedes Tor, das von irgendeiner Auswärtsmannschaft in egal welchem Fußballstadion im Land erzielt wurde. (In Highbury gab es die Variationen »Ihr werdet in einem Londoner Krankenwagen heimfahren«, »Wir sehen euch alle draußen« und »Clock End, tut Eure Arbeit« – die Arsenalanhänger im Clock End waren den gegnerischen Fans näher, und folglich wurden sie damit beauf tragt, die Verantwortung für Vergeltung zu übernehmen.) Der einzige Unterschied zu den ganzen gegrölten Verwünschungen vorher war, daß ich zum ersten Mal mitgrölte.
Ich war von dem Tor schockiert, so beleidigt und so betroffen wie nur irgendwer auf der Tribüne, und es war ein Glück, daß ein kompletter Fußballplatz zwischen mir und den Fans von Coventry lag, sonst, sonst … sonst hätte ich Maßnahmen ergriffen, ich wußte nicht welcher Art, aber sie wären der Schrecken des Postbezirks N5 gewesen.
In vielerlei Hinsicht war das natürlich lustig, auf die Art, auf die die meisten Hooligan-Ambitionen von Teenagern lustig sind, und doch fällt es mir auch jetzt noch schwer, über mich selbst zu lachen. Es ist mein halbes Leben her, und es ist mir noch immer peinlich. Ich würde gern glauben, daß da nichts von mir, dem erwachsenen Mann, in jenem wütenden Fünfzehnjährigen war, aber ich habe den Verdacht, daß das überoptimistisch ist. Eine Menge von dem Fünfzehnjährigen bleibt, unvermeidlich (wie das bei Millionen von Männern der Fall ist), was einen Teil der Verlegenheit erklärt; der andere Teil hat damit zu tun, daß sich der Erwachsene in dem Jungen auch wiedererkennt. So oder so, es bleibt ein Ärgernis.
Letztlich habe ich es gelernt. Ich habe gelernt, daß es lächer
lich war, irgend jemandem zu drohen – ich hätte den Coventryfans genausogut versprechen können, daß ich ihre Kinder gebären werde, und daß Gewalt und die dazugehörige Kultur auf jeden Fall uncool sind (keine der Frauen, mit denen ich je schlafen wollte, wäre an jenem Nachmittag sonderlich beeindruckt von mir gewesen). Aber bei der dritten, der grundsätzlichen Lektion, daß Fußball nur ein Spiel ist und man nicht durchdrehen muß, wenn das eigene Team verliert … von der möchte ich gern glauben, daß ich sie gelernt habe. Doch manchmal spüre ich da immer noch etwas in mir, bei Auswärtsspielen, wenn wir von gegnerischen Fans umzingelt sind, der Schiedsrichter gegen uns pfeift, wir trotzdem hoffen und hoffen, Adams dann ein Schnitzer unterläuft, deren Mittelstürmer durch ist und sich dieses furchtbare, stechende Gebrüll aus allen Richtungen erhebt … dann habe ich einen Rückfall und erinnere mich nur noch an zwei der drei Lektionen, was einerseits genügt, andererseits aber eben nicht.
Männlichkeit hat irgendwie eine speziellere, weniger abstrakte Bedeutung als Weiblichkeit angenommen. Viele Leute scheinen Weiblichkeit als eine Qualität zu betrachten, während Männlichkeit für eine große Zahl Menschen beiderlei Geschlechts ein Bündel von Vermutungen und Werturteilen darstellt, das Männer entweder akzeptieren oder ablehnen können. Du magst Fußball? Dann magst du auch Soul, Bier, Leutevermöbeln, Frauen-an-den-Busen-Grabschen und Geld. Du bist ein Rugby- oder Cricketfan?
Dann gefallen dir die Dire Straits oder Mozart und du liebst Wein, Frauen-in-den-Hintern-Zwicken und Geld. Du paßt in keins der Lager? Macho, nein danke? In diesem Fall folgt zwangsläufig, daß du ein pazifistischer Vegetarier bist, der die Reize von Michelle Pfeiffer geflissentlich übersieht und denkt, daß nur anzüglich grinsende, harte Jungs Luther Vandross hören.
Man kann leicht vergessen, daß wir aussuchen und wählen können. Theoretisch ist es möglich, zum Beispiel Fußball, Soul und Bier zu mögen, aber Busengrabschen und Pozwicken zu verabscheuen
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