Fever Pitch
könne. Und obwohl es nett war, mit ihr zusammenzusein, und sich die Gelegenheit, mit einer fußballverrückten Italienerin über den Unterschied zwischen ihrer und meiner Besessenheit zu sprechen, nicht allzuoft bietet, hatte ich Bedenken. Es war bestimmt nicht deshalb, weil ich eine junge Dame nicht mit auf die Nordtribüne nehmen konnte, um zwischen den Schlägertypen zu stehen (selbst eine Italienerin, einen Fan von Juventus, dreieinhalb Monate nach Heysei): Wie wir im Mai festgestellt hatten, waren die Leute, mit denen sie ihre Sonntagnachmittage verbrachte, mit den Symptomen der englischen Krankheit vertraut, und sie hatte meine unbeholfenen, gutgemeinten Versuche, mich im Namen der Liverpoolfans zu entschuldigen, bereits zurückgewiesen. Es war eher, weil ich mich für die ganze Sache schämte – die hoffnungslose Qualität von Arsenals Fußball, das halbleere Stadion, das ruhige, gleichgültige Publikum. Sie sagte schließlich, es habe ihr gefallen und behauptete sogar, daß Juventus in der Frühphase der Saison ganz genauso schlecht sei (Arsenal traf nach einer Viertelstunde und verbrachte den Rest des Spiels mit dem Versuch, eine trostlose Leicester-Mannschaft am Ausgleich zu hindern). Ich machte mir nicht die Mühe, ihr zu sagen, daß wir sonst auch nicht besser waren.
In meinen vorangegangenen siebzehn Jahren des Fanseins hatte das Zum-Fußball-Gehen immer etwas, das unabhängig von seinen komplizierten und verdrehten Bedeutungen war, die es für mich hatte, es hatte etwas, das darüber hinausging. Auch wenn wir nicht gewannen, hatte es immer Charlie George oder Liam Brady gegeben, große, lärmende Zuschauermengen oder faszinierende Störungen im Sozialverhalten, Cambridge Uniteds packende Niederlagenserien oder Arsenals endlose Pokalwiederholungsspiele. Aber wenn ich das Ganze mit den Augen des italienischen Mädchens sah, konnte ich erkennen, daß nach Heysei einfach überhaupt nichts mehr los war; zum ersten Mal schien Fußball ganz nackt dazustehen, reduziert auf seinen Kern, auf das, was ihn wirklich ausmachte; und hätte ich diesen Kern nicht wahrgenommen, wäre ich fähig gewesen, das Ganze aufzugeben, so wie Tausende andere es auch zu tun schienen.
Das Trinken geht weiter
Arsenal gegen Hereford – 8.10.85
Ich denke, man muß einen Unterschied zwischen der Form von Hooliganismus machen, die in diesem Land stattfindet, und der Form, an der englische Fans im Ausland beteiligt sind. Die meisten Fans, mit denen ich gesprochen habe, behaupten, daß alkoholische Getränke niemals einen sonderlich großen Einfluß auf die in England stattfindenden Gewalttätigkeiten hatten (es gab sogar bei Spielen mit morgendlichem Anpfiff Ärger, einem Konzept, das dazu bestimmt war, die Fans davon abzuhalten, vor dem Spiel in die Kneipe zu gehen); wie auch immer, die Reisen ins Ausland, mit den zollfreien Überfahrten auf der Fähre, den langen, langweiligen Zugreisen, den zwölf Stunden, die man in einer fremden Stadt totschlagen muß … das ist ein ganz anderes Problem. Es gab Berichte von Augenzeugen über weit verbreitete Trunkenheit bei den Liverpoolfans vor Heysei (auch wenn man nicht vergessen darf, daß die Polizei von Yorkshire unanständigerweise versuchte, geltend zu machen, daß in Hillsborough Alkohol eine Rolle gespielt habe), und es besteht der Verdacht, daß auch viele der Ausschreitungen von englischen Fans Anfang der achtziger Jahre in Bern, Luxemburg und Italien durch Alkohol angeheizt (wenn auch wahrscheinlich nicht ausgelöst) wurden.
Nach Heysei gab es eine Menge schmerzlicher und lange überfälliger Selbstgeißelung; der Alkohol stand dabei zwangsläufig sehr viel im Brennpunkt, und zum Auftakt der neuen Saison wurde sein Verkauf in den Stadien untersagt. Das verärgerte einige Fans, die argumentierten, daß zwischen Alkohol und Hooliganismus nur ein vager Zusammenhang bestehe und deshalb der wahre Zweck dieses Schrittes sei, von der Notwendigkeit irgendwelcher radikaler Maßnahmen abzulenken. Nichts sei in Ordnung, sagten die Leute – die Beziehung zwischen den Clubs und den Fans, der Zustand der Stadien und der fehlende Komfort in ihnen, die mangelnde Repräsentation von Fans in allen Entscheidungsprozessen, alles –, und den Verkauf von Alkohol im Stadion zu verbieten werde nichts bringen, da die Leute das Trinken ohnehin schon vorher in den Pubs erledigen (es ist, wie viele Fans betonten, sowieso unmöglich, sich bei der Masse von Menschen, die darauf warten, bedient zu werden,
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