Fever Pitch
zurücklagen, passierte etwas Eigenartiges: die Nordtribüne wechselte die Seiten. Jeder Angriff von Watford wurde mit einem aufmunternden Gebrüll begrüßt, jede knapp vergebene Chance (und es gab Hunderte davon) wurde mit einem »Oooh!« des Bedauerns bedacht. In gewisser Weise war das lustig, aber es war auch trostlos. Hier waren Fans, die vollkommen entfremdet waren, denen nichts Verletzenderes einfiel, um ihren Widerwillen auszudrücken, als dem Team den Rücken zuzukehren; es war praktisch eine Form der Selbstverstümmelung.
Mittlerweile war offensichtlich, daß der absolute Tiefpunkt erreicht war, und es war eine Erleichterung. Wir wußten, daß, wer immer der Trainer war (Venables machte schnell klar, daß er nicht in diese Art von Schlamassel verwickelt werden wollte), alles irgendwie nicht schlimmer werden konnte.
Nach dem Spiel gab es vor dem Haupteingang eine Demonstration, bei der es schwierig war, genau festzustellen, was die Leute wollten; manche stimmten Sprechchöre an, in denen die Rückkehr Howes gefordert wurde, andere ließen einfach einer unbestimmten, aber echten Wut freien Lauf. Wir schlenderten hin, um uns das anzusehen, aber niemand in meiner Gruppe konnte den erforderlichen Zorn aufbringen, der nötig war, um mitzumachen. Für mich, der ich mich noch an mein kindisches, melodramatisches Verhalten am Telefon am Morgen nach dem Spiel gegen Villa erinnern konnte, war die Demonstration seltsam tröstlich – das Mädchen, das mein Schmollen hatte tolerieren müssen, konnte sehen, daß ich nicht der einzige war, daß es diese ganze Gemeinde gab, die sich mehr darum sorgte, was ihrem Arsenal widerfuhr, als um irgendwelche anderen Dinge. Die Dinge, die ich Leuten oft über Fußball zu erklären versucht habe – daß er keine Flucht ist oder eine Form der Unterhaltung, sondern eine andere Version der Welt –, waren deutlich für sie zu sehen; irgendwie fühlte ich mich bestätigt.
1986 -1992
George
Arsenal gegen Manchester United – 23.8.86
Meine Mutter hat zwei Katzen, eine heißt O’Leary und die andere heißt Chippy, Liam Bradys Spitzname; die Wände ihrer Garage ziert noch immer das Graffiti, das ich vor zwanzig Jahren mit Kreide aufgemalt habe: »RADFORD FÜR ENGLAND!« – »CHARLIE GEORGE!« Meine Schwester Gill kann, wenn man sie drängt, noch immer die Namen der meisten Spieler des Double-Teams nennen.
Irgendwann im Mai 1986 rief mich Gill vormittags während einer meiner Pausen in der Sprachenschule an. Sie arbeitete zu dieser Zeit bei der BBC, und der Sender verkündet wichtige Neuigkeiten, sobald sie hereinkommen, zum Wohle all seiner Angestellten über eine Lautsprecheranlage.
»George Graham«, sagte sie, und ich dankte ihr und legte den Hörer auf.
Genauso ist es in meiner Familie immer abgelaufen. Ich habe ein schlechtes Gefühl dabei, daß Arsenal auch in ihr Leben eingedrungen ist.
Es war keine sonderlich phantasievolle Entscheidung, und es war offensichtlich, daß George für den Job die zweite oder sogar dritte Wahl war, ganz gleich was der Präsident jetzt sagt. Es ist möglich, daß er für die Position nicht einmal in Erwägung gezogen worden wäre, wenn er nicht ruhmreich für den Club gespielt hätte, ungefähr zu der Zeit, als ich anfing hinzugehen. Er kam von Millwall, die er vor dem Abstieg bewahrt und dann zum Aufstieg geführt hatte, aber ich kann mich nicht erinnern, daß er dort das Pulver erfunden hätte; ich machte mir Sorgen, daß sein Mangel an Erfahrung dazu führen würde, daß er Arsenal wie ein anderes Team der zweiten Division behandeln und kleine Brötchen backen würde, daß er billig einkaufen und es eher darauf anlegen würde, seinen Job zu behalten statt die anderen großen Teams anzugreifen, und anfangs schienen diese Befürchtungen wohlbegründet -der einzige neue Spieler, den er in seinem ersten Jahr kaufte, war Perry Groves von Colchester für 50.000 Pfund, wobei er Martin Keown sofort und Stewart Robson nicht lange danach verkaufte, und das waren junge Spieler, die wir kannten und mochten. So wurde der Kader kleiner und kleiner: Woodcock und Mariner waren gegangen, Caton ging, und niemand ersetzte sie.
Er gewann sein erstes Spiel daheim gegen Manchester United durch ein spätes Tor von Charlie Nicholas, und wir gingen in gedämpftem Optimismus nach Hause. Aber er verlor die nächsten beiden, und Mitte Oktober steckte er dann in einigen Schwierigkeiten. Es gab ein 0:0 zu Hause gegen Oxford, ein Spiel, das so
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