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Fey 02: Das Schattenportal

Fey 02: Das Schattenportal

Titel: Fey 02: Das Schattenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Natürlich war die Wahl des Rocaan auf Matthias gefallen. Es lag auf der Hand. Er hatte Matthias bereits das Geheimnis des Weihwassers mitgeteilt. Da konnte er ihn auch in den anderen Geheimnissen unterrichten.
    Allmählich, als es den anderen Ältesten dämmerte, daß das, was sie die ganze Zeit über befürchtet hatten, wahr geworden war, wurde ein Murmeln laut. Zum ersten Mal in ihrer religiösen Karriere waren sie übergangen worden. Linus stieß ein eigenartiges Stöhnen aus und schob seinen Sessel zurück.
    Der Rocaan hob die Hand, es wurde wieder ruhig. »Ich werde meine Wahl nicht vor euch rechtfertigen, ich sage nur, daß Matthias das Ohr Gottes zu haben scheint. Er wird bis zum Ende meiner Tage meine Wahl sein. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als hätte ich diese Entscheidung überstürzt gefällt, weil ich mir Sorgen über den Ausgang unserer Reise mache.«
    »Also ich mache mir schon Sorgen«, sagte Porciluna. Vaughn und Ilim starrten ihn an, als wäre er verrückt geworden. Matthias verfolgte alles mit amüsiertem Gesichtsausdruck. »Wenn ihr vier bei dieser Reise sterbt, sollen wir deinem Willen nach von einem Nichtgläubigen angeführt werden? Keiner von uns wird den Glauben weiterführen.«
    »Du mißverstehst mich, Porciluna«, sagte der Rocaan mit erhobener Hand, als wolle er andere Proteste unterbinden. »Man kann nicht ohne Glauben Ältester werden. Den reinsten Glauben brauche ich auf meiner Reise bei mir. Ich muß euch leider sagen, daß der Glaube derjenigen, die zurückbleiben, meiner Meinung nach durch andere Belange getrübt worden ist.«
    »Andere Dinge?« fragte Eirman. Seine Frage klang sonderbar scharf. Tel erinnerte sich daran, daß er und der Rocaan sich erst vor wenigen Tagen unter vier Augen unterhalten hatten.
    »Ehrgeiz«, sprang Matthias ein, bevor der Rocaan antworten konnte. »Oder Habgier oder, wie in meinem Fall, ein zu starker Glaube an die Macht des Wissens, im Gegensatz zu den Idealen und der Heiligkeit des Gottesglaubens.«
    Der Rocaan warf Matthias einen dankbaren Blick zu. »Ich behaupte nicht, daß ich reinen Glaubens bin. Ich war es auch früher nicht, auch nicht, als ich Rocaan wurde. Die Reinheit des Glaubens hat ihre eigenen Schwächen. Eine davon ist erschreckende Naivität in weltlichen Dingen. Ein Rocaan muß die Welt ebenso verstehen wie Gott.«
    An diesem Ort waren mehr als genug Habgier, Ehrgeiz und Zorn versammelt, um die Phantasien eines Dutzends Traumreiter zu entzünden. Tel scherte sich nicht um die politischen Zänkereien der Kirche. Er wollte nur raus hier. Er wollte sein Gepäck überprüfen, bevor die Gruppe aufbrach.
    »Ich dachte, Ihr wolltet Eure Entscheidung nicht rechtfertigen«, sagte Tel.
    Der Rocaan warf einen Blick in seine Richtung. Er runzelte leicht die Stirn. Mit einiger Überraschung erkannte Tel, daß der Rocaan sich über seinen Einwand wunderte. Tel zwang sich zu einem Lächeln.
    »Die Wahl eines Rocaan ist schließlich eine Sache des Glaubens«, fügte er hinzu.
    »Gut gesprochen«, sagte Timothy.
    Das Schweigen im Raum war so dicht, wie es zuvor die geschäftigen Geräusche gewesen waren. Der Rocaan blickte sich um. Nur das nervöse Zucken seiner rechten Hand deutete sein Mißvergnügen hinsichtlich der ganzen Angelegenheit an.
    »Die Pflicht ruft«, sagte der Rocaan. »Wenn jemand von euch Fragen zu seiner eigenen Zukunft hat, so werde ich sie beantworten, sobald ich zurück bin. Bis dahin tut euer Bestes und erinnert euch daran, daß wir alle mit der Aufnahme in die Hand Gottes belohnt werden.«
    Die anderen erhoben sich. Matthias rührte sich nicht von der Stelle neben dem Kamin. Auch Tel rührte sich nicht. Er zog es vor, abzuwarten, bis die anderen den Raum verlassen hatten. Er wollte nicht riskieren, mit einem von ihnen zusammenzustoßen.
    Trotz seiner akuten Gepäckprobleme war er erleichtert darüber, diesen Ort verlassen zu können. Er mußte nicht mehr bei jeder Bewegung aufpassen, daß er nichts umstieß und sich selbst tötete. Er würde wieder draußen sein, herumlaufen und frische Luft auf dem Gesicht spüren. Er hatte Jahn schon seit über einem Jahr nicht mehr verlassen.
    Er hatte den Raum bereits zur Hälfte durchquert, als ihm auffiel, daß es sich hierbei womöglich um mehr als nur einen zeitweisen Aufschub handelte. Zum ersten Mal, seit er Andre geworden war, würde er allein mit dem Rocaan sein. In der Nacht, dort am Blumenfluß, war es ihm bestimmt möglich, den Rocaan zu überrumpeln und seine Gestalt

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