Fey 02: Das Schattenportal
Vorhang mit der rechten Hand zur Seite und blickte hinaus. Matthias lehnte mit verschränkten Armen am Kamin und beobachtete den Rocaan, der die ganze Geschäftigkeit mit einem Eifer überwachte, den weder Tel noch Andre jemals zuvor erlebt hatten. Die restlichen drei Ältesten waren noch nicht eingetroffen.
Tel gefiel die allgemeine Unruhe überhaupt nicht. Er hatte eine abgeschiedene Ecke gefunden und sich dorthin verzogen, wo ihn so schnell keiner der anderen aus Versehen mit irgend etwas bespritzen konnte. Er hielt die Hände hinter dem Rücken und sah dem Treiben aufmerksam zu. Er wußte, daß es keinen Sinn hatte, zu fragen, was hier überhaupt vor sich ging. Porciluna hatte einen Versuch gewagt, doch Matthias hatte ihn sofort angefahren, er solle gefälligst abwarten, bis die Daniten da seien.
Linus, einer der Ältesten, betrat den Raum. Sein blondes Haar war wie ein Topf geschnitten, was sein Gesicht rund und seine Augen noch viel runder aussehen ließ. Er war untersetzt und älter als die meisten anderen seiner Kollegen – was er oft als Entschuldigung dafür anführte, sich um einige der Pflichten zu drücken. Ein Privileg, das sich Tel sehnlichst wünschte, das Andre jedoch zutiefst verabscheute. Linus machte nicht einmal den Versuch herauszufinden, was sich da vor seinen Augen abspielte. Er ließ sich nur neben Porciluna in einen Sessel sinken und schaute dem bunten Treiben zu.
Der Rocaan lächelte Linus zu und gab den Auds weitere Anweisungen. Sie packten eine weitere Tasche, diesmal mit einem silbernen Zeremonienschwert, das so groß wie ein echtes Schwert war. All das war für den Tabernakel völlig ungewöhnlich. Andre verfügte über keinerlei Erinnerung an derlei Dinge. Tel bekam eine Gänsehaut. Er hatte Angst, und er wußte nicht, weshalb.
Wieder ging die Tür auf, und diesmal trat Ilim ein. Diesen Ältesten hatte Tel noch nie aus der Nähe gesehen. Ilim gelang es stets, sich abseits zu halten, indem er die spirituelle Führerschaft der unteren Bediensteten als seine Hauptaufgabe ansah. Im Gegensatz zu Linus arbeitete Ilim ständig. Dabei hätten sie Brüder sein können, bis auf die Tatsache, daß Ilim das Haar zu einem langen Pferdeschwanz gebunden trug, der ihm bis zur Mitte des Rückens herabfiel.
Hinter ihm kam Timothy, der letzte Älteste, ins Zimmer. Andre sah ihn immer als jungen Burschen an, obwohl es andere Älteste gab, die jünger als Timothy waren. Vielleicht lag es daran, daß Timothy nicht allzu helle war. Seine Einfältigkeit verlieh ihm einen jugendlichen Zug, den ihm keine noch so hohe Anzahl von Jahren nehmen konnte. Auch sein Haar war bereits von grauen Fäden durchsetzt, doch er bewegte sich mit den geschmeidigen Bewegungen eines jungen Mannes. Er kam herüber und stellte sich neben Tel, wobei er ihn förmlich in die Ecke drängte und dort einkeilte.
»Aah, endlich«, sagte der Rocaan. Alle Ältesten waren jetzt versammelt. Wie es aussah, hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Er nahm einem der Daniten die Schärpe aus der Hand, sagte, sie hätten jetzt genug darin verstaut, und band sie sich um seine Robe. »Den Rest erledigen wir später«, sagte er zu den anderen.
Die Auds und Daniten verneigten sich und begaben sich durch die Haupttür des Gemachs hinaus. Einige von ihnen warfen neugierige Blicke zurück. Tel spürte ihr Verlangen, dabeisein zu dürfen. Die meisten von ihnen würden nie soweit kommen. Es gab zahllose Auds – obwohl er sicher war, daß es jemanden gab, wahrscheinlich Linus, der ihre exakte Zahl kannte – und genau halb so viele Daniten, genau dreißig höherrangige Geistliche, zehn Älteste und einen Rocaan. Trotzdem glaubte jeder Aud, eines Tages Rocaan zu werden, bis er sich irgendwann alt und machtlos und ohne jede Zukunft irgendwo in der Organisation der Kirche wiederfand.
Der letzte Aud machte die Tür hinter sich zu. Der Rocaan stellte sich mitten ins Zimmer und strahlte wie ein Kind am Namenstag. Seine Schärpe war mit kleinen Schwertern und Schriftrollen beschwert. Noch mehr steckten in seinem Barett, das neben ihm auf dem Tisch lag. Er faltete die Hände vor dem Bauch und drehte sich so, daß er alle Ältesten im Blick hatte.
»Wahrscheinlich werde ich einige von euch jetzt gleich beleidigen«, sagte er. »Wenn dem so sein sollte, vergebt mir bitte. Glaubt mir bitte, wenn ich sage, daß ich euch alle sehr schätze und daß ihr alle, jeder auf seine Weise, Gottes Zwecken dienlich seid. Die Bewertung, die ich heute nachmittag
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