Fey 02: Das Schattenportal
Geheimnistuerei machen mir Sorgen«, sagte Nicholas. Das Schweigen seines Vaters war nicht die Reaktion, die er erwartet hatte. »Im Zusammenhang mit den Vorfällen im Tabernakel mit den Knochen und dem Blut ergibt das ein ernsthaftes Problem. Der Rocaan stellt unser Weihwasser her. Wenn er stirbt oder in die Gewalt der Fey gerät …«
»Ich erkenne diese Probleme genau wie du, Nicholas«, sagte sein Vater und fuhr sich mit der Hand durch das lange blonde Haar. »Ich nehme an, du bist sofort zu mir gekommen.«
»Ja«, antwortete Nicholas.
»Wir könnten jemand zum Tabernakel schicken, aber das dauert zu lange.« Sein Vater verzog das Gesicht. »Wir schicken ihnen einen Trupp Leibwachen hinterher und vergewissern uns, daß alles in Ordnung ist.«
»Ich habe die Wachen bereits losgeschickt«, sagte Nicholas. Er zitterte, auch wenn er es nicht zeigen wollte. Es war das erste Mal, daß er Maßnahmen getroffen hatte, ohne die Erlaubnis seines Vaters einzuholen.
»Was hast du?«
Nicholas schluckte. »Es war nicht genug Zeit, um jemanden aufzusuchen und groß um Erlaubnis zu bitten. Ich traf auf Monte, erklärte ihm, daß ich Leute brauchte, und schickte sie hinter dem Rocaan her.«
»Um was zu tun, wenn ich fragen darf?«
Nicholas achtete nicht auf den Sarkasmus. »Um ein Auge auf ihn zu haben, nur für den Fall, daß etwas passiert.«
Sein Vater lehnte sich wieder zurück und rieb sich nachdenklich über das Kinn. Dann holte er tief Luft. »Das hätte ich auch befohlen.«
»Ich weiß«, erwiderte Nicholas.
»Allerdings verstehe ich nicht, warum du es so eilig hattest, mich aufzusuchen, wenn du ohnehin schon alles veranlaßt hast.«
»Ich möchte mit ihnen reiten.«
Sein Vater sah ihn einige lange Sekunden mit undurchdringlicher Miene an. »Warum?«
»Weil ich glaube, daß etwas geschehen wird. Und ich will dabeisein.«
»Was willst du denn dabei tun?«
Nicholas hob die Schultern. Er konnte seinem Vater nicht sagen, daß er diese Unentschlossenheit leid war. Genau dieses Zaudern seines Vaters war es, das ihm Sorgen bereitete. Er wollte mit dem Rocaan ziehen, weil er spürte, daß der Rocaan ein Ziel verfolgte. »Ich könnte sofort nach Jahn Bericht erstatten, wahrscheinlich besser als jeder Leibwächter.«
Sein Vater schüttelte den Kopf. »Dein erster Instinkt war richtig. Das ist kein Ort für dich. Der Rocaan ist ein kluger Mann. Da er die Sache veranlaßt hat, handelt es sich wahrscheinlich um eine Zeremonie. Er hat schon mehrmals geäußert, daß es ihm nicht gefalle, wie eine Geisel der Fey zu leben. Falls dem nicht so ist, werden uns die Wachleute darüber informieren. Ich möchte nicht, daß du da mitmischst.«
»Ob es dir gefällt oder nicht, Vater«, erwiderte Nicholas, »ich stecke schon mittendrin. Ich habe bei der Invasion Seite an Seite mit den Küchendienern gekämpft, ich habe in diesem Raum hier neben einem Fey gesessen, und wahrscheinlich habe ich noch einige mehr von ihnen gesehen. Mich abschirmen zu wollen ist der Sache nicht dienlich. Entweder ich sterbe, oder ich sterbe nicht.«
Seinem Vater stieg die Zornesröte in die Wangen. »So einfach ist das nicht. Du bist der Thronfolger. Wenn mir etwas geschieht, ist das Land auf dich angewiesen.«
Nicholas seufzte und setzte sich. Er hatte gewußt, daß sein Vater das sagen würde, und er wußte auch, daß er dagegen kein Argument ins Feld führen konnte. Die Anführer der Fey kämpften an der Seite ihrer Männer, aber die Inselbewohner waren keine Fey. »Vater«, sagte er, »ich würde gerne wissen, was der Rocaan vorhat, denn er hat irgend etwas vor. Und es ist auch höchste Zeit dafür. Wir dürfen diese Fey nicht länger in unserem Land dulden. Sie haben zu viele Tricks auf Lager, und eines Tages erwischen sie uns. Wir haben nur einen Vorteil – sie hingegen haben mehrere.«
»Ich habe darüber nachgedacht«, erwiderte sein Vater. »Aber mir ist nichts dazu eingefallen. Wir dürfen sie nicht durch die Felsenwächter lassen, weil sie so mit Verstärkung zurückkommen. Der gefangene Fey hat mir sehr viel erzählt, und ich habe ihn auf etwas angesetzt, das uns vielleicht helfen könnte. Ich weiß jedoch nicht, ob ich darauf vertrauen darf, daß er uns hilft. Und jetzt hat der Rocaan, die Quelle unseres Weihwassers, die Stadt verlassen. Jede Neuerung macht mir nur noch mehr zu schaffen, bringt mich immer mehr durcheinander. Sobald ich etwas unternehme, frage ich mich, ob ich weit genug gegangen bin. Dann mache ich etwas anderes und bin
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