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Fey 02: Das Schattenportal

Fey 02: Das Schattenportal

Titel: Fey 02: Das Schattenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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eingerichtet, obwohl sie aussahen, als seien sie ursprünglich zu opulenteren Zwecken gedacht gewesen. Der Hauptraum war groß und mit einem Kamin ausgerüstet, der bis zur Decke reichte, und mit einem Balkon, der Ausblick über die gesamte Stadt gewährte. Auch das Schlafzimmer war riesig und verfügte ebenfalls über einen gewaltigen offenen Kamin. Weder die eine noch die andere Feuerstelle vermittelte den Eindruck häufigen Gebrauchs, und Andre schien lieber auf einer Pritsche zu schlafen. Er hatte den Hauptraum mit Holzmöbeln ohne Polster eingerichtet und sämtliche Teppiche vom gefliesten Boden entfernen lassen. Trotzdem war es immer noch besser als im Stall, wo sich Tel vorher aufgehalten hatte.
    Aber nicht viel besser.
    Nicht gut genug, um ihn für die Gefahr zu entschädigen, der er sich aussetzte. Wenn er wenigstens in den Privatgemächern bleiben könnte. Sobald er sich auch nur wenige Schritte herauswagte, erwies sich der Tabernakel als sein schlimmster Alptraum.
    Überall sah er Weihwasser. Einer der Auds hatte ihm mit dem Frühstück eine kleine Flasche Wein gebracht. Nachdem Tel die Flüssigkeit lange genug angestarrt und sich mit vor Durst ausgetrockneter Zunge gefragt hatte, ob sie wohl mit dem Gift versetzt sei, hatte er sie in eine Tasse gegossen. Aber er wußte, daß dem nicht so war … zumindest der Andre-Teil in ihm wußte es. Trotzdem zitterte seine Hand, als er die Tasse zum Trinken an die Lippen führte.
    Sogar wenn Tel die Flure entlangging, die Versammlung verließ und in seine Gemächer zurückeilte, sah er das Wasser. Auds, die die Wände säuberten, neben sich Eimer voll mit bräunlicher Flüssigkeit und feuchten Lappen, versetzten ihn in Angst und Schrecken.
    Und zu seiner großen Überraschung mußte er diese Schrecken völlig unnötigerweise durchmachen. Er hatte gedacht, wenn er einen Assistenten des Rocaan, einen Ältesten übernahm, würde er das Geheimnis des Giftes erfahren. Schon bald war ihm jedoch klargeworden, daß keiner außer dem Rocaan selbst wußte, wie man das Zeug herstellte.
    Kein Wunder, daß der alte Mann seit der Ankunft der Fey alt und ausgemergelt aussah.
    Tel war sich auch nicht sicher, wie er an die Information gelangen sollte. Sollte er der alte Mann werden? Was war, wenn das Weihwasser zur Maskerade des Alten gehörte? Was, wenn sich bei der Verwandlung in den Rocaan ein Teil des Körpers veränderte? Tel konnte sich vorstellen, wie er blutbedeckt versuchte, den alten Mann zu absorbieren und gleichzeitig zu spüren, wie er dahinschmolz – wie schon so viele andere Opfer vor ihm. Mit diesem Bild im Kopf hockte er auf dem unbequemen Holzstuhl, preßte die Füße aneinander und rang die Hände. Er wußte, daß er hier in Sicherheit war, abgesehen von dem Schränkchen nebenan, in dem Andre seinen eigenen Vorrat an Weihwasser aufbewahrte, sowohl zur Andacht als auch zu seiner Verteidigung.
    Alle Rocaanisten schrieben dem Wasser mystische Eigenschaften zu. Andre hatte daran geglaubt, daß der Roca ihnen das Wasser zu ihrem Schutz gegeben hätte. Sein Einsatz beim Mitternachtssakrament hatte für ihn nach Ankunft der Fey eine besondere Bedeutung erlangt. Andre glaubte, der Roca habe von den Fey gewußt und den Inselbewohnern das Wasser zur Verteidigung überlassen.
    Keine schlechte Idee, wenn man näher darüber nachdachte, obwohl Tel sich nicht so recht vorstellen konnte, wie ein Mensch am Anfang aller Geschichte hätte wissen können, daß die Fey jetzt über die Blaue Insel herfielen. Vielleicht hatte der Roca tatsächlich das Ohr Gottes gefunden.
    Tel schüttelte sich und stand auf. Andre hatte einen schwabbeligen Körper, den Tel ständig zu Krämpfen und Versteifungen brachte. Er bewegte die Schultern, hörte das Knacken und Knarren. Wenn er nur in die Stallungen zurückkehren könnte, wo er mit den Pferden arbeiten und die Krise um sich herum vergessen konnte. Er hatte Solanda angefahren, weil er wußte, daß sie recht hatte: Er hatte sich an einen Ort begeben, vor dem alle Doppelgänger gewarnt waren – den Ort, an dem man sich wohler fühlt als in der eigenen Haut.
    Er würde diesen Fehler hier nicht noch einmal begehen.
    Dabei lief er Gefahr, einen ganz anderen Fehler zu machen. Vor vielen Jahren hatte er in der Ausbildung gelernt, Doppelgänger riskierten ihr Leben für die Truppe. Kein Doppelgänger riskierte in diesem Augenblick mehr als Tel. Er hatte so große Angst, daß er nur noch in seinem Zimmer sein wollte.
    Dabei mußte er sich mit ganz

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