Fey 02: Das Schattenportal
schlug ihm bis zum Hals herauf. »Ihr beide müßt nicht weitergehen«, sagte er leise.
»Sollen wir dich etwa alleine gehen lassen? Du machst wohl Scherze!« sagte Cyta.
»Wir sind bis hierher mitgekommen«, ergänzte Kondros, »und wir gehen auch den Rest des Weges mit dir.«
»Ich glaube nicht, daß wir alle Toten begraben können … und ich weiß nicht, ob wir es wagen sollten, es ohne einen Daniten zu tun.«
»Besser, als sie verwesen zu lassen«, meinte Cyta.
»Wenn sie überhaupt noch da sind«, gab Kondros zu bedenken.
»Das läßt sich leicht herausfinden.« Theron wischte sich die feuchten Handflächen an der Hose ab, atmete tief durch und verließ den Pfad. Er erinnerte sich daran, diesen Weg in der Dunkelheit gegangen zu sein, erinnerte sich an seine bösen Vorahnungen und fragte sich, warum er ihnen keine Beachtung geschenkt hatte. Weil er auf seinen König vertraut hatte. Er wußte nicht genau, ob er das noch einmal tun würde.
Sie waren kaum zehn Schritte gegangen, als ihnen der Geruch entgegenschlug: Heftig, fruchtbar und säuerlich drang er in ihre Nasen und versuchte, sich in ihren Körpern einzunisten. Der Gestank trieb Theron die Tränen in die Augen. Jetzt müßte der König hiersein. Er sollte erfahren, was ihnen sein Plan eingebrockt hatte.
Cyta war grün im Gesicht geworden. Kondros riß sich mit vor Ekel verzerrten Lippen den Saum seines Hemdes ab und band sich den Stoffstreifen um die Nase. Cyta folgte seinem Beispiel mit zitternden Händen. Theron berührte die Beutel mit dem Weihwasser an seinem Gürtel. Er war froh, daß er sie dabeihatte. Ohne sie hätte er sich nie so weit vorgewagt. Eilig zerriß er sein Hemd und hielt sich den Fetzen unter die Nase. Der Stoff hielt den durchdringenden Geruch ab, vertrieb ihn aber nicht gänzlich.
Zwei Tage. Sie hätten früher zurückkommen sollen.
Als Theron den Rand der Lichtung erreichte, hörte er Stimmen. Sie sprachen in der gutturalen Sprache, die er als Fey erkannte. Seine Nackenhaare sträubten sich. Er warf seinen Gefährten einen raschen Blick zu. Cyta sah noch immer ganz grün aus; auf seiner Stirn war Schweiß ausgebrochen. Kondros biß sich auf die Unterlippe.
Vorsichtig teilte Theron die Zweige und spähte auf die Lichtung. Die Leichname waren wie Klafterholz neben dem Erdkreis aufgestapelt. Nirgendwo zuckten Lichter in der Luft, kein Fey war zu sehen. Dann trat ein untersetzter, stämmiger Mann weiter hinten aus dem Wald heraus. Er war mit Erde – oder war es Blut? – verschmiert und trug lange, tropfende Streifen – Stoff? – in den Händen. Ein zweiter kleiner Mann kam aus der gleichen Richtung. Seine Hände waren verschmiert und leer, und an seinem Gürtel hingen Beutel, genau wie bei Theron.
Sie unterhielten sich, und jetzt wurde ihm klar, daß das die Stimmen waren, die er gehört hatte. Der Schall trug die Laute über die Lichtung. Instinktiv hielt Theron den Atem an. Cyta und Kondros taten es ihm gleich.
Ein dritter Fey – eine Frau – zog auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung einen Leichnam an den Füßen aus dem Wald. Das Gesicht des Toten sah merkwürdig aus, als hätte jemand Löcher hineingegraben. Dann erkannte Theron, daß die Haut fehlte.
Ihm wurde sofort übel. Sie verstümmelten die Toten. Er hatte schon gehört, daß die Fey so etwas taten, aber er hatte es noch nie gesehen. Er sah seine Gefährten an. Drei gegen drei. Ein gutes Verhältnis – es sei denn, aus dem Kreis kamen noch mehr Fey.
Theron nahm einen Beutel in die Hand und öffnete ihn. Mit der anderen Hand zog er das Messer aus dem Stiefel und tauchte es ins Wasser. Cyta und Kondros folgten seinem Beispiel. Dann zurrte Theron den Beutel wieder am Gürtel fest. Er hielt das Messer ausgestreckt vor sich und wollte gerade auf die Lichtung hinaustreten, als ihn jemand von hinten festhielt.
Eine nach Fäulnis riechende Hand legte sich über seinen Mund und zog ihn rückwärts in den Wald. Die scharfe Klinge eines Messers brannte auf der Haut an seiner Kehle.
Cyta und Kondros drehten sich um. Jeder hatte die Hand auf einem Beutel, hielt in der anderen ein Messer. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet.
Der Gestank des Mannes, der ihn festhielt, brachte Theron zum Würgen.
»Immer langsam«, sagte der Mann mit schwerem Nye-Akzent. Er flüsterte: »Wenn ihr das Zeug auf mich schleudert, macht ihr nur die anderen wild. Und das will wohl keiner von uns.«
Cyta und Kondros rührten sich nicht. Therons Augen tränten. Er hielt den Atem
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