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Fey 02: Das Schattenportal

Fey 02: Das Schattenportal

Titel: Fey 02: Das Schattenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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anderen Problemen beschäftigen. Er sollte heute abend das Mitternachtssakrament zelebrieren. Das bedeutete, mit Phiolen voller Weihwasser hantieren, und zum gleichen Zeitpunkt sollte er seine Kontaktperson treffen. Er war sich noch im unklaren, wie er beide Aufgaben erfüllen sollte.
    Niemand konnte sich um das Mitternachtssakrament drücken. Es war eine der wichtigsten Pflichten, die ein Ältester durchzuführen hatte. Er ging auf dem nackten Steinboden auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Er mußte einen Ausweg finden, und zwar bald. Denn wenn er nicht am verabredeten Treffpunkt erschien, mußte der Bote annehmen, er sei tot, und dann durfte er auf keinerlei Hilfe von Rugar mehr rechnen.
    Annehmen, er sei tot. Tel setzte sich. Wenn sie davon ausgingen, daß er tot war, konnte er auch wieder Pferdepfleger werden. Das Leben als Stallbursche war nicht gerade glänzend, aber es war sicher. Und die Fey würden diese Insel so schnell nicht wieder verlassen.
    Ein Zittern durchlief ihn. Er wußte, worüber er da nachdachte. Tel hatte bisher erst einmal gesehen, wie ein Doppelgänger für die Vernachlässigung seiner Aufgabe bestraft wurde. Man hatte den Doppelgänger gezwungen, durch ein Dutzend Gefangener aus Nye zu gehen, sich in rascher Folge von einem in den anderen zu verwandeln, bis sein eigenes Wesen unter der Anstrengung zusammenbrach. Sodann wurde er von den Hütern des Zaubers rasch weggebracht, um ihren sonderbaren und geheimen Experimenten zu dienen.
    Niemand hatte jemals wieder etwas von ihm gehört.
    Tel starrte zum Fenster hinaus. Unten im Hof spielten Kinder unter der Aufsicht eines Auds ein Spiel. Normalerweise würde Andre dort unten sein, doch Tel konnte es nicht ertragen, mit Inselkindern zu spielen. Nicht in diesem kritischen Augenblick. Er baute darauf, daß ihn die Zusammenkunft deckte: Alle Ältesten hatten unter Druck gestanden. Matthias hatte nach verhaltenem Schrecken ausgesehen, Porcilunas Gesicht war die ganze Zeit über rot gewesen. Tel hatte den Großteil der Sitzung damit verbracht, sich Gedanken über den zusätzlichen Blutfleck zu machen. Hatte Rugar noch einen Doppelgänger entsandt?
    In diesem Falle wäre Tel weniger wichtig, als er bisher gedacht hatte. Er konnte einfach gehen, ohne daß ihm jemand auf die Schliche kam.
    Mit Ausnahme des anderen Doppelgängers, der, falls er ebenfalls bei der Versammlung anwesend war, wissen würde, daß Tel in der Nähe war. Und wenn sie beide gingen? Dann waren die Fey dazu verurteilt, das Geheimnis niemals zu erfahren.
    Fröhliche, mit Gelächter vermischte Schreie drangen von unten herauf. Die Kinder kamen jeden Nachmittag auf Andres Veranlassung dort hin, auch wenn er nicht jedesmal an ihrem Spiel teilnahm. Andre glaubte, wenn man die Kinder in jungen Jahren indoktrinierte und die Indoktrination wie einen großen Spaß aussehen ließe, würde man der Religion damit einen Dienst erweisen. Bislang hatte es funktioniert, und die Maßnahme hatte Andre zum Favoriten des Rocaan werden lassen.
    Tel drehte sich vom Fenster weg und lehnte sich gegen die alte Steinwand. Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht. Wenn er einfach nur da blieb, wo er war, und dabei genügend Vorsicht walten ließ, würde er womöglich das Geheimnis des Weihwassers vom Rocaan erfahren. Oder er würde nach einigen Tagen in Matthias’ Körper überwechseln. Andres Erinnerung verriet ihm, daß auch Matthias am Tage der Ersten Schlacht um Jahn des Geheimnisses teilhaftig geworden war.
    Der entscheidende Punkt war der, sowohl das Mitternachtssakrament zu begehen als auch seinen Kontakt zu treffen. Der Kontakt würde warten. Seine Anweisungen besagten, daß er dem Doppelgänger soviel Zeit wie möglich einräumen müsse, den Treffpunkt zu erreichen. Wenn Tel das Mitternachtssakrament überlebte, würde keiner dahinterkommen, wer er war. Man würde ihm absolut vertrauen.
    Das Zittern kehrte zurück. Er rieb die Hände aneinander. Er konnte keine Handschuhe tragen; er wußte nicht einmal, ob ihn das schützte. Selbst wenn, waren Handschuhe keine Alternative. Der Älteste mußte das Weihwasser auf Stoff gießen, den er mit bloßen Händen anfaßte.
    Aber der Rocaan hatte ihn zuvor auf eine Lösung des Problems gebracht. Tel war es nur noch nicht eingefallen. Bis jetzt.
    Er hatte es bis jetzt einfach nicht sehen wollen.
    Sie wollten das gesamte Weihwasser durch Weihwasser ersetzen, das der Rocaan eigens zubereitet hatte. Tel war ein Ältester. Die Auds würden ihm

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