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Fey 02: Das Schattenportal

Fey 02: Das Schattenportal

Titel: Fey 02: Das Schattenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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sich die Hüter des Zaubers gelegentlich herumschlagen mußten. Wahrscheinlich erging es ihm wie so vielen anderen auch, die glaubten, das Zauberhüten gehöre zu den machtvollsten Tätigkeiten der Fey überhaupt, ohne sich darüber im klaren zu sein, daß die Macht immer auch schwierige Entscheidungen mit sich brachte.
    »Wir sollten aber fair bleiben«, meinte Caseo und quälte Streifer noch mehr. »Du weißt, daß sie nicht auf intellektuellem Wege zu dieser Erkenntnis gelangten.«
    Rotin nickte. Sie tupfte den letzten Rest ihrer Kräuter mit dem kleinen Finger auf, dann ließ sie Mörser und Stößel wieder in ihrer Tasche verschwinden. »Stimmt, das hatte ich ganz vergessen«, sagte sie. Sie drehte sich um, grinste Streifer an und rieb sich dann die Kräuter auf die Zähne. »Bei den Ghitlanern erlernten wir auch die Kunst der Folter.«
    Der Junge holte vernehmbar Luft. Sie leckte sich die Kräuterreste von den Zähnen und verstaute das Beutelchen, wobei ein Schauer ihren Körper durchlief, als die Wirkung einsetzte. Streifers Augen füllten sich mit Tränen.
    »Das denkt ihr euch nur aus«, keuchte er. »Ihr spinnt euch etwas zusammen, nur um eure eigene Grausamkeit zu rechtfertigen.«
    »Leider ist dem nicht so, mein Junge«, erwiderte Caseo. »Die Hüterei ist nicht ganz so einfach, wie man sie sich vorstellt. Das hat man dir doch gesagt, als du dein Gelübde ablegtest. Und ich sagte dir, daß du noch zu jung dafür seist. Du seist zu jung, um dir über die Entscheidungen im klaren zu sein, erinnerst du dich?«
    »Du warst neidisch auf mich«, sagte Streifer. »Bis ich kam, warst du der talentierteste Hüter aller Zeiten.«
    Caseo warf Rotin einen Blick zu. Wie viele Geister hatte sie mit ihrem Geschwätz schon beeinflußt? »Aber nein, Kind«, sagte er. »Ich verstehe nur, was es mit den Entscheidungen auf sich hat. Du nicht. Ich weiß, daß das Leben einer kleinen Rotkappe viel weniger wert ist als das Leben Hunderter anderer Fey. Ich weiß, daß uns ein wenig Folter, wohlüberlegt eingesetzt, mehr über die Eigenschaften dieses Wassers verrät als alle ›Experimente‹, die wir hier veranstalten. Und ich scheue nicht davor zurück, ein Leben zu vernichten, um tausend andere zu retten.«
    »Du bist verrückt«, sagte der Junge.
    »Wirklich?« fragte Caseo. »Deine Familie hat doch den Kriegszug gegen die Nye mitgemacht, oder nicht?«
    Streifer schluckte. Sein Vater war direkt in der Schlacht dabeigewesen. Die Hüter hatten sich einen neuen Zauber für die Tierreiter ausgedacht, der wahrscheinlich allen an der Front Kämpfenden das Leben gerettet hatte. Jeder Fey wußte das.
    »Den Tierreiter-Zauber entdeckten wir durch wohlüberlegtes Experimentieren. Einhundertundfünfzig gefangene Nye starben auf die unterschiedlichste Art und Weise, bevor wir die rascheste und effektivste – man könnte auch sagen, die schmerzloseste – Methode herausfanden.«
    »Warum habt ihr mir das nicht gesagt, bevor ich mich euch anschloß?« fragte Streifer.
    Rotin zuckte die Achseln. »Keine Branche enthüllt Außenseitern ihre Geheimnisse. Außerdem hast du dich nie davor gescheut, Fey-Lampen aufzuhängen oder an Zaubern mitzuwirken, um den Wetterkobolden beizustehen. Was glaubst du, wie viele Geschöpfe aufgrund der heftigen Regenfälle im letzten Jahr gestorben oder ertrunken sind?«
    »Das … das …«, murmelte Streifer.
    »Du hast es in dir, ein Hüter zu werden. Deshalb bist du ein Hüter. Oder du wirst nichts. Du kennst die Wahl, die du zu treffen hast«, sagte Caseo.
    »Ich dachte immer, ein Hüter zu sein sei eine intellektuelle Aufgabe«, erwiderte Streifer.
    »Das ist es auch«, sagte Rotin.
    »Ich hätte nie geglaubt, daß Foltern und Töten auch dazugehören.«
    »So ist es aber«, meinte Caseo. »Und jetzt mußt du damit zurechtkommen. Uns allen geht es so.« Er blickte zu Rotin hinüber, deren Augen immer noch glänzten. »Und jeder schafft es auf seine ganz eigene Art.«
    Streifer sah die beiden an. Dann riß er die Tür auf und rannte hinaus.
    Rotin lehnte sich an und dehnte die Arme über dem Kopf. »Ich glaube, du bist ein bißchen zu streng mit dem Jungen umgesprungen.«
    Caseo schüttelte den Kopf. »Wir brauchen ihn. Er ist talentiert – und er hat recht. Wir haben die Sache völlig falsch angepackt. Aber unsere Mittel sind beschränkt. Und wenn uns sein Abscheu Zeit und Mittel spart, um so besser.«
    »Zeit und Leben«, entgegnete Rotin. »Du meinst Zeit und Leben.«
    »Genau das sagte ich doch,

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