Fey 02: Das Schattenportal
sagte Streifer und stieg von dem Stuhl herunter, den er sich zum Aufhängen der Fey-Lampen herangezogen hatte, »daß wir in dieser Hinsicht völlig falsch liegen.«
Der Gebrauch des Wörtchens ›falsch‹ ließ Caseo beinahe die zweite Schüssel verschütten. Er setzte sie rasch ab und atmete heftig. Das war knapp gewesen.
»Willst du damit sagen, daß ich nicht weiß, was ich tue?« Die Angst, die in ihm aufstieg, ließ seine Frage schneidender als beabsichtigt klingen.
»Aber nein!« Streifers Augenbrauen wölbten sich protestierend. Von ihnen allen sah allein er durch die Kahlköpfigkeit, die alle Hüter nach der Initiation befiel, komisch aus, als hätte er nie ein Hüter werden sollen. Caseo konnte das fehlende Haar immer noch wie einen Heiligenschein um Streifers Kopf fließen sehen. »Ich sage nur, daß …«
»Wir falsch an die Sache herangehen.« Rotin setzte sich auf. Die Kräuter, die sie einnahm, hatten ihre Stimme kratzig werden lassen. Ihre Augen waren rot umrandet, und ihr ganzer Körper bewegte sich, als sei er unendlich müde. »Ich weiß, daß du Kritik nicht ausstehen kannst, Caseo, aber eine Sache so anzugehen ist wirklich kindisch und egoistisch.«
Caseo erstarrte und sah sie nur widerstrebend an. Dann kam er aus seiner magischen Ecke hervor und suchte seine Handschuhe peinlich genau nach Tropfen ab, bevor er sie auszog. »Wir reden hier nicht über mich«, sagte er.
»Nein, allerdings nicht. Wir reden über das, was wir über dieses Gift herausgefunden haben.« Rotin rieb sich die Augen. »Laß Streifer ausreden. Deine Eifersucht auf ihn kann nur kontraproduktiv sein.«
Caseo schluckte seinen Zorn hinunter. Er war nicht eifersüchtig auf Streifer. Er konnte nur keine Kinder leiden. Und Streifer war nicht einmal zwanzig, viel zu jung, um ein Hüter des Zaubers zu sein. Zu jung, um als einer der Mächtigen ihrer Kaste anerkannt zu werden.
»Was machen wir denn falsch?« erkundigte sich Caseo, dem es nicht gelang, seine Stimme frei von Sarkasmus zu halten.
Streifer stieß die Hände in die Taschen seines Gewandes. Der graue Stoff fügte sich harmonisch in die Farben der Schattenlande ein, was ihn beinahe unsichtbar machte. Nur die Helligkeit der Fey-Lampen über seinem kahlen Schädel verlieh ihm ein wenig Wärme.
»Wir analysieren keinen Zauber«, sagte Streifer. Bei dem Wort ›analysieren‹ kickste seine Stimme. Er räusperte sich. »Wir erschaffen ihn. Möglicherweise finden wir niemals heraus, wie dieser Zauber hier funktioniert, indem wir versuchen, den Prozeß umzukehren.«
Ohne es zu wollen, spürte Caseo, wie sein Herz einen Satz machte. Er wußte, was der Junge meinte. »Du möchtest, daß wir dieses Gift selbst herstellen? Mit den gleichen Eigenschaften?«
Streifer nickte. Seine Augen funkelten. »Wir könnten es an toten Fey ausprobieren. Einige von uns sind auch durch andere Ursachen umgekommen, oder nicht?«
Rotin zuckte die Achseln. »Das hat keiner nachgeprüft.«
»Aber selbst wenn – die Magie ist von ihnen gewichen.«
»Wir haben keinen Beweis dafür, daß die Magie der Grund dafür ist«, sagte Streifer. »Am Tag der Ersten Schlacht starben auch Infanteristen. Das würde bedeuten, daß nicht die magischen Fähigkeiten dafür verantwortlich sind.«
Caseo verzog das Gesicht. Das mit den magischen Fähigkeiten war seine Theorie gewesen. »Wir wissen nicht genau, ob die Infanterie über Magie verfügt. Einige von ihnen sind nur nicht im ausreichenden Maße damit ausgestattet. Die Rotkappen sind überhaupt nicht zur Magie fähig, und von ihnen ist kein einziger gestorben.«
»Von ihnen war auch keiner mitten im Kampfgetümmel«, erwiderte Rotin. »Laß von dieser Theorie ab, Caseo. Daß die kleine Rotkappe sich dir widersetzt hat, beweist nur, daß der Bursche genug Verstand besitzt, sein eigenes Leben zu retten. Würdest du freiwillig an einem Experiment teilnehmen, bei dem du auf grausame Weise zugrunde gehen kannst?«
»Natürlich nicht«, antwortete Caseo. »Aber mein Leben ist schließlich etwas wert.«
Streifer setzte sich auf seinen Stuhl und schien mit der Wand zu verschmelzen. Er verfügte über dieses Talent, einfach zu verschwinden, sobald es Auseinandersetzungen gab.
Rotin war noch nie von Caseo bedroht worden. »Auch das Leben einer Rotkappe ist etwas wert«, sagte sie naserümpfend. »Es muß auch jemanden geben, der bereit ist, in der Hitze und im Gestank zu arbeiten, um uns mit Material zu versorgen. Wenn wir sterben, müssen wir alle zerlegt
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