Fey 02: Das Schattenportal
Todesangst seine ganze Flasche Wasser auf den Fey geschüttet. Hat dem armen Kerl aber nicht mehr viel genützt, was, Hoheit?«
Nicholas zitterte. Die Haut schmolz. Genau das hatte Lord Stowe gesagt. Genau das war mit Stephan geschehen. Aber sie schmolz nicht ganz weg. Es war eine Taktik der Fey, die noch keiner so recht verstand.
»Du sagtest, zweimal … ihr hättet zweimal Knochenhaufen gefunden«, hakte Nicholas nach.
»Genau, so war’s auch«, erwiderte der Knecht. »Miruts hat den zweiten Haufen im Stall gefunden. Als ich am nächsten Tag reinkam, hat er gerade alles saubergemacht.« Der Junge blickte zu Nicholas auf. »Dort drüben im Stall war’s. Was waren das für Knochen, Hoheit?«
»Ich weiß es auch noch nicht«, antwortete Nicholas. »Aber Miruts hat sie angefaßt, ja? Was hat er mit ihnen getan?«
»Er schaffte sie in kleinen Haufen raus. Einen …« Der Junge senkte den Blick. »Einen von den größeren hat er einem Hund gegeben.«
»Und das fandest du nicht richtig.«
Der Knecht schüttelte den Kopf und hielt die Augen niedergeschlagen. »’tschuldigung, Hoheit, aber ich fand, das war nicht unbedingt rocaanistisch, versteht Ihr? Das waren mal lebendige Wesen gewesen, mit Gehirn und Verstand, eher so wie wir, keine Tiere. Ich würde einem Hund nicht mal einen Pferdeknochen geben, und schon gar nicht einen Knochen von einem Geschöpf, das denken und sprechen kann wie die Fey.«
Auch Nicholas würde so etwas nicht tun, ebensowenig sein Vater oder einer der Wachen, dachte er. Es war gefühllos. Leichname wurden bestattet und gesegnet. Sogar die Leichen der Fey im Hof waren an einem nicht näher gekennzeichneten Ort in ungeweihter Erde in der Nähe des Flusses begraben worden. Zur Vorsicht mit Kalk und Weihwasser bedeckt, damit sie sich nicht noch einmal erhoben – aber begraben wurden sie.
Nicht an die Hunde verfüttert.
Nicholas fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Seine Gedanken gefielen ihm nicht. »War dort in der Nähe der Knochen auch Blut auf dem Boden?«
Der Knecht nickte. Seine Augen weiteten sich. »Eine große Lache. Beide Male, Hoheit.«
»Aber du sagtest, einem Mann sei in der Nähe des Tores die Kehle durchgeschnitten worden. Da muß doch viel Blut herausgeflossen sein.«
»Jede Menge.«
»Neben dem Toten?«
»Und neben den Knochen«, sagte der Knecht.
Nicholas schluckte. Seine trockene Kehle schmerzte. Er hatte die Auseinandersetzungen vergessen, die nach der Ankunft der Fey entbrannt waren: daß sie durch simple Berührung töten könnten; daß einige Wachen die Fey dabei überrascht hätten, wie sie sich die Haut vom Körper streiften; daß einige Daniten davon überzeugt waren, daß die Fey Blut sammelten.
»Hoheit? Geht es Euch nicht gut?«
»Doch, doch.« Nicholas fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und wischte sich wieder den Schweiß von der Stirn. Er war hungrig. Er war müde. Die Unterredung mit dem Rocaan hatte ihn verwirrt. Die Stimmung griff wohl auf diese Unterhaltung über, das war alles. »Is’ das alles, Hoheit? Ich wollte noch mal nachsehen, ob man sich gut um Schwarzohr kümmert.«
Normalerweise hätte Nicholas den Knecht mit einer Handbewegung entlassen; diesmal nicht. Er hatte immer noch Fragen. Fragen, bei denen er nicht sicher war, ob er die Antworten wirklich wissen wollte. »Erinnerst du dich, ob an jenem Tag im Stall gekämpft wurde?«
»Bei der Invasion, Hoheit? Nein, dort wurde nicht gekämpft. Die Jungs und ich wehrten sie ab und hielten die Türen gut zu. Wir wollten nicht, daß sie irgendwie in die Nähe von dem guten Pferdefleisch kommen, wißt Ihr? Wir hatten Angst davor, was sie damit alles anstellen würden.«
»Ihr hieltet die Tore geschlossen?« fragte Nicholas nach.
»Richtig, Hoheit.« Der Knecht sah ihn wieder an. Zwischen seinen Brauen stand eine kleine steile Falte.
»Wo kamen dann aber die Knochen und das Blut her? Hatte Miruts eine Erklärung?«
Der Knecht nickte. »Er sagte, er hätte sie am Morgen gefunden, als er in den Stall kam.«
»Und mit den Pferden war alles in Ordnung?«
»Ja, Hoheit. Danach hab’ ich als erstes gefragt.«
»Gab es Anzeichen für einen Kampf?«
»Schwer zu sagen, Hoheit. Überall auf dem Hof lagen noch die Leichen, es sah schrecklich aus. Ihr könnt Euch bestimmt selbst noch dran erinnern.«
»Allerdings«, erwiderte Nicholas. Er erinnerte sich an den Gestank, an das Entsetzen, daß er noch Tage später nicht schlafen konnte … und selbst dann träumte er immer wieder von
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