Fey 02: Das Schattenportal
eingeteilt und gesagt, wir sollen unsere Aufgaben erledigen.«
»Und was ist heute mit der Küche passiert?« wollte Nicholas wissen. »Es dürfte keine Rolle spielen, ob der Haushofmeister weg ist oder nicht.«
Der Koch warf dem Schlachter einen kurzen Blick zu, der jedoch machte eine abweisende Kopfbewegung und kreuzte wieder die Arme vor der Brust.
»Seine Hoheit wollte Schweinebraten, draußen über dem Steinofen geräuchert. Ich war fast den ganzen Tag weg, Hoheit. Ich gab dem Haushofmeister Bescheid, daß ich nicht da bin und daß er die Leute beaufsichtigt. Niemand hat mir gesagt, daß er auch weg ist.«
Der Küchenjunge kam mit zwei Tellern herein; den kleinen Finger hatte er in den Henkel eines vollen Krugs Met gehakt und den Krug selbst stützte er mit dem Bauch ab. Er schob den ersten Teller – vollbeladen mit mehreren Scheiben Brot, frischer Butter und Apfelschnitzen – vor Nicholas und sagte: »Pardon, Hoheit, aber das Schweinefleisch ist noch warm. Ich wußte nicht, ob Ihr es trotzdem probieren wollt.«
Nicholas hob die Augenbrauen. »Wann hast du meinem Vater aufgetragen?«
»Kurz vor Sonnenuntergang, Hoheit.«
Nicholas nickte. »Dann müßte das Fleisch eigentlich gut sein.« Er lächelte den Jungen an, der daraufhin den zweiten Teller und den Met absetzte. Zuerst widmete sich Nicholas dem Krug und trank dessen Inhalt mit einem Zug aus. Er labte sich an dem vollen Geschmack, ohne einen Gedanken an die Wirkung zu verschwenden. Dann wischte er sich den Mund mit dem Handrücken ab und hielt den Krug dem Jungen entgegen. »Bring mir noch mehr!« befahl er. »Und schick die anderen für den Haushalt Verantwortlichen her zu mir!«
Der Junge nickte und warf dem Koch einen kurzen Blick zu, um sich zu vergewissern, daß er, und kein anderer, diese Aufgaben erledigen sollte. Der Koch nickte ihm verstohlen zu. Nicholas tat so, als habe er nichts bemerkt.
Das Getränk linderte seinen Kopfschmerz ein wenig. Er legte ein Stück Schweinefleisch auf eine Scheibe Brot, gab noch ein Scheibchen Apfel hinzu und deckte das ganze mit einer zweiten Scheibe Brot zu. Dann biß er herzhaft hinein. Sein Magen knurrte. Er war schon lange nicht mehr so hungrig gewesen.
»Der Haushofmeister ist verschwunden«, sagte Nicholas. »Hat sich schon jemand auf die Suche nach ihm begeben?«
»Der Hausmeister«, antwortete der Küchenchef. »Wir haben ihn nirgendwo im Küchenbereich gesehen, also haben wir im Weinkeller nachgeschaut, in der Speisekammer und im Vorratsraum.«
»Wäre es möglich, daß er einen besonderen Auftrag für meinen Vater ausführt?« fragte Nicholas mit vollem Mund.
»Nein, keinesfalls, Hoheit«, erwiderte der Koch. »Das würden wir wissen.«
»Und was, glaubt ihr wohl, ist mit ihm passiert?« wollte Nicholas wissen und nahm noch einen Schluck Met. Sein Kopfschmerz ließ merklich nach. Er hatte einfach zu lange nichts gegessen.
»Keine Ahnung, Hoheit«, meinte der Koch.
»Ist so etwas schon einmal vorgekommen?«
Der Koch schüttelte den Kopf.
In Nicholas’ Nacken sträubten sich die Haare. Dieses Verschwinden kam ihm so merkwürdig vor wie das des Stallknechts. Nicholas aß sein belegtes Brot auf und schob die Teller von sich. Der Küchenjunge kam in der Begleitung von drei Frauen zurück. Nicholas kannte sie vom Sehen, aber er wußte ihre Namen nicht. Alle drei sahen so aus, als hätte man sie aus dem Schlaf geholt.
»Das hier ist Agnes, Hoheit«, sagte der Küchenjunge, als die kräftigste und älteste Frau ihren Knicks machte. »Sie macht das Erdgeschoß und den Ostflügel.«
»Agnes«, sagte Nicholas.
»Das ist Charissa, Hoheit«, sagte der Küchenjunge, als die junge blonde Frau knickste. Nicholas sah ihr interessiert dabei zu. Schon mehr als einmal hatte er ihre schlanke Gestalt mit Interesse beobachtet. »Sie ist für die Audienzzimmer und die öffentlichen Räume ab zweiten Stock aufwärts und für den Westflügel verantwortlich.«
»Charissa«, sagte Nicholas.
»Und das ist Evadne, Hoheit«, sagte der Küchenjunge, als die dritte Frau ihren Knicks machte. Sie war von mittlerem Alter, hatte graumeliertes Haar und kräftige Arme. »Sie ist für den Nord- und den Südflügel verantwortlich.«
»Evadne«, sagte Nicholas. »Erhebt euch alle. Vielen Dank, mein Junge, daß du sie für mich hergeholt hast.«
Der Junge nickte. Er wußte, daß er damit entlassen war, und entfernte sich.
»Hat eine von euch den Haushofmeister gesehen?« fragte Nicholas.
Die drei Frauen sahen einander an
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