Fey 02: Das Schattenportal
freute. »Sieh zu, daß du sie ebensowenig benutzt wie er.«
»Gewiß, Hoheit!« Er drehte sich um und wollte gerade in Richtung Stall davonrennen, als ihm einfiel, daß er sich noch nicht verbeugt hatte.
»Lauf schon«, sagte Nicholas, der sich plötzlich sehr viel älter als der Knecht vor ihm vorkam.
»Danke Euch, Hoheit!« rief der Bursche und rannte zum Stall. Seine hohe, aufgeregte Stimme schallte in der Nacht.
»Und schon ist der alte Miruts vergessen«, flüsterte Nicholas. Es machte ihn traurig, daß der Stallknecht, auf den er so lange gezählt hatte, ebenfalls von den Fey übernommen worden war.
Dann, die Dunkelheit senkte sich bereits rings um ihn herab, blieb er plötzlich mitten auf dem Hof wie erstarrt stehen. Sein Fechtmeister, sein Lieblingspferdeknecht … und wenn sie es nun auf seinen Vater abgesehen hatten? Das wäre eine Erklärung für die Frau und ihr Schwanken zwischen ungestümer Kriegerin und betörender Weiblichkeit.
Aber Nicholas hatte keinerlei Beweise dafür.
Es sei denn, sie ermordeten den König.
Er schluckte. Ein kühler Wind hatte sich erhoben, der den Schweiß auf seiner Stirn trocknete und ihm einen noch kälteren Schauer über den Rücken jagte. Alles war möglich, nichts gewiß. Er mußte aus diesen Kleidern heraus, dann brauchte er etwas zu essen, und dann mußte er mit seinem Vater reden.
Mit großen Schritten überquerte Nicholas den Hof, sah überall große, schlanke Gestalten in der Dunkelheit lauern, Umrisse, die sich beim Näherkommen als Klingelzüge oder Putzgerät herausstellten. Dieser Tag hatte ihn so erschüttert wie der, an dem Stephan gestorben war, wenn auch aus anderen Gründen. Er zog die Küchentür auf und blieb stehen.
Zwei Frauen, die er nicht kannte, standen vor dem Herdfeuer und zankten sich, wessen Pflicht es sei, das Feuer in Gang zu halten. Es war schon völlig herabgebrannt, und wenn nicht bald jemand etwas unternahm, würde es nicht mehr für die Zubereitung der Mahlzeiten des nächsten Tages ausreichen. Der Küchenmeister schimpfte weiter hinten in einer Ecke mit dem Küchenjungen, und der Schlachter lehnte mit einer mit altem Blut verschmierten Schürze und verschränkten Armen am hölzernen Fleischtisch.
Auf dem Tisch stand kein Essen, und Nicholas konnte nur noch leise riechen, was es zum Abendessen gegeben hatte. Normalerweise fand er immer noch etwas Leckeres, ein Stück für die Bediensteten beiseite gelegtes Hammelfleisch oder einen Kanten Brot, der noch nicht wieder in die Speisekammer weggeschlossen worden war. Und noch nie zuvor hatte er gesehen, daß das Feuer im Herd ausgegangen wäre.
»Was geht hier vor?« fragte er mit einer Stimme, die das Geschrei donnernd übertönte.
Das Gezanke hörte sofort auf. Alle Beteiligten sahen Nicholas mit einer Mischung aus Erschrockenheit und Verdruß an. Mit einem Mal verbeugten sich die Männer und knicksten die Frauen wie auf Befehl und verharrten in dieser Stellung. Nicholas war das höfische Zeremoniell in der Küche nicht gewohnt. Er mochte es, wenn sie so taten, als sei er einer von ihnen.
Selbstverständlich hatte er mit seinem königlichen Auftritt damit angefangen. Hinter seinen Augen machte sich ein pochender Kopfschmerz bemerkbar. »Erhebt euch!«
Sie erhoben sich. Die Frauen falteten die Hände vor ihren Schürzen, wie in Erwartung einer Zurechtweisung. Der Schlachter lehnte sich wieder an den Tisch, und der Küchenmeister rieb sich die Schulter, als bereite sie ihm Schmerzen.
»Was geht hier vor?« fragte Nicholas abermals, diesmal jedoch in etwas gemäßigterem Ton.
»Es ist wegen der Aufgaben, Hoheit«, antwortete der Küchenmeister. »Da gab’s heute ein paar Probleme.«
»Wo ist denn der Haushofmeister? Ich möchte mit ihm reden.«
»Das wissen wir nicht, Hoheit.«
Die Kopfschmerzen wurden plötzlich sehr heftig. »Ist er verschwunden?«
»Ja, Hoheit.«
Nicholas griff sich einen Hocker und zog ihn heran, setzte sich darauf und stützte einen Ellbogen auf die Anrichte. »Bringt den Herd wieder in Gang!« wies er die Frauen mit einer Handbewegung an. »Sonst gibt es morgen kein Frühstück!« Er rieb sich die Augen. Die Pflicht wollte es, daß er nicht mehr der Junge war, der er vor kurzem noch gewesen war.
»Bring mir Abendessen«, befahl er dem Küchenjungen. »Was gerade übrig ist, und dazu etwas Met, und jemand soll den stellvertretenden Haushofmeister holen!«
»Verzeihung, Hoheit«, sagte der Koch, »aber der Meister hat keinen Vertreter. Er hat uns alle
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