Fey 03: Der Thron der Seherin
Hochverrat wurde und wird ausnahmslos mit dem Tod bestraft. Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt, Canter?«
Canter legte seine gepflegten Hände auf den Rücken. »Selbstverständlich, Sire.« Er hörte sich jedoch nicht sonderlich beeindruckt an.
»Die Bestrafung Eurer Untertanen, die schlecht über die königliche Familie sprechen, wird Euer Problem nicht lösen«, ließ sich Holbrook vernehmen. »Eure Heirat mit Jewel war ein gewagtes Risiko, das unglücklicherweise einen Erstgeborenen hervorbrachte, der regierungsunfähig ist. Daß sie während einer religiösen Zeremonie starb, unter den Händen des Rocaan, spaltet unser Volk. Das müßt Ihr berücksichtigen.«
»Das habe ich auch vor«, sagte Nicholas. Er ging wieder zu seinem Thron und ließ sich umständlich darauf nieder. Die Ratsherren beobachteten ihn so wachsam wie nie zuvor. Nicholas umklammerte die Lehnen des Thrones so fest, daß seine Hände schmerzten.
»Ich verstehe die Probleme, die Matthias’ Mordtat ausgelöst hat. Er hat damit die ersten Funken eines Feuers entfacht, das immer heftiger brennen wird. Uns steht ein Krieg an zwei Fronten bevor, meine Herren. Zum ersten gegen die Fey, die einen der Ihren aussandten, um meinen Vater zu töten und dadurch einen Krieg auszulösen.«
»Also hatte Matthias doch recht, als er zurückschlug«, warf Canter ein.
Nicholas gebot ihm mit einer Handbewegung zu schweigen, während er Canter im Auge behielt. »Zum zweiten haben wir den Tabernakel. Die Handlungen des Rocaan spalten die Insel. Die Leute müssen sich zwischen ihrem Glauben und ihrem König entscheiden. Ich hoffe, die Fey zu vernichten und den Rocaan seines Amtes zu entheben.«
»Das ist unmöglich, Sire«, sagte Fesler. »Ihr könnt die Loyalität der Leute nicht erzwingen.«
Nicholas lächelte. Es fühlte sich ungewohnt an. Er trug dieses Lächeln wie ein Gewand, wie seine königliche Robe. Es hatte nichts mit seinem Herzen zu tun. »Nun, da bin ich anderer Ansicht«, sagte er. »Matthias hat mich daran erinnert, während jener Zeremonie, in der er meine Frau umbrachte.«
»Ihr sprecht in Rätseln, Sir«, äußerte Stowe.
Nicholas schüttelte den Kopf. »Ich habe alles genau durchdacht, Mylord. Nichts in den Geschriebenen und Ungeschriebenen Worten verweist auf den Tabernakel. Das einzige, meine Herren, wirklich das einzige, was in den Worten des Roca als eine Art Existenzberechtigung des Tabernakels gedeutet werden kann, ist Seine Ermahnung, daß der Erstgeborene König werden solle, während der Zweitgeborene über das Seelenheil herrscht. Vielleicht, meine Herren, haben wir uns getäuscht. Vielleicht sind wir der zweiten Ermahnung des Roca nicht gefolgt. Vielleicht waren wir deshalb so leicht zu erobern.« Enford erbleichte. Holbrook grinste und unterdrückte seine Reaktion dann so schnell wie möglich. Miller lehnte den Kopf zurück und machte zum ersten Mal einen interessierten Eindruck.
»Der einzige wahre Stellvertreter des Roca auf der Blauen Insel bin ich, meine Herren. Sein Blut fließt in meinen Adern. Die Führer des Rocaanismus müssen enthaltsam leben, eine merkwürdige Entscheidung, wie ich glaube. Sonst wäre es ihnen möglich gewesen, die Nachfolge des Roca direkt anzutreten. Der Roca wollte, daß seine Familie die Blaue Insel beherrschte, nicht die Zweitgeborenen irgendwelcher Durchschnittsfamilien. Die Fehler des Fünfzigsten Rocaan und Matthias’ Zerstörungswut sind der Beweis dafür, daß Gott nicht mit dem Tabernakel ist. Gott ist hier, im Palast. Bei mir.«
»Wenn Gott mit Euch wäre«, sagte Canter, »dann wäre Euer Sohn auch in der Lage, selbst zu denken.«
»Seht Euch vor«, sagte Enford leise. Er hatte den Blick nicht von Nicholas abgewandt. Nicholas’ Gesicht war ebenso von Zorn und Leidenschaft erfüllt wie seine Stimme.
»Wenn ich mich vom Tabernakel lossagte, würdet Ihr dann Matthias’ Partei ergreifen?« fragte Nicholas.
Canter zuckte die Achseln. »Glücklicherweise bin ich kein praktizierender Rocaanist.«
»In der Glaubenslehre steht, daß der König die weltliche Arbeit des Roca verrichtet und der Rocaan die geistige«, sagte Fesler.
Nicholas schüttelte den Kopf. »Matthias hat mich in der Glaubenslehre unterwiesen, und diese besagt, daß der zweite Sohn der Vertreter des spirituellen Königtums ist. Unser derzeitiger Rocaan ist nicht mit dem Roca verwandt. Er hat kein Recht auf geistige Führerschaft.«
»Dann würdet Ihr als geistiger Führer vorangehen?« fragte Fesler
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