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Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Fesler setzte sich hinein und seufzte leise auf, als sei allein das Stehen für ihn schon viel zu anstrengend gewesen. Er legte den Krückstock auf den Schoß und zog ihn fest an sich, wie eine Waffe.
    Die Türen öffneten sich erneut. Lord Canter trat ein. Sein Gewand übertraf an Eleganz und Kostbarkeit sogar das des Königs. Canters Haare waren zu einem perfekten Pagenkopf geschnitten und endeten knapp unter dem Kinn. Diese Mode hatte sich kurz vor der Ankunft der Fey unter einigen Männern des Schwertes durchzusetzen begonnen. Canters Frisur saß immer so exakt, als schnitte sie ihm sein Diener jeden Tag nach. Seine schwere, mit Goldbordüren besetzte Robe rauschte beim Gehen, und seine leichten Schuhe glitten über den Boden. Seine Hände waren weiß und gepflegt, im Unterschied zu Stowes Händen, denen die Anstrengungen der Reise immer noch deutlich anzusehen waren, oder auch zu Feslers gekrümmten und schmerzhaft geschwollen Fingern.
    Ohne sich zu verneigen, blieb Canter vor Nicholas stehen. Nicholas blickte ihn unbewegt an, aber innerlich erschauerte er. Wenn Canter ihm den Gehorsam verweigerte, dann glaubten die anderen womöglich auch, daß sie ihm die Gefolgschaft aufkündigen konnten. Dieses Treffen war von entscheidender Bedeutung. Nicholas wußte es, und die Ratsherren wußten es auch. Jetzt entschied sich, wer die Blaue Insel in Zukunft regierte.
    »Lord Canter«, sagte Nicholas, »sind Wir Eures Grußes heute nicht würdig, oder seid Ihr nur ein wenig zerstreut?«
    Canter errötete leicht. Es war das erste Mal, daß Nicholas den Ratsherren gegenüber das herrschaftliche Wir benutzte. »Vergebt mir, Sire«, sagte er, während er sich verneigte. »In den letzten Tagen bin ich in der Tat recht zerstreut gewesen.«
    »Könnten wir uns doch alle so glücklich nennen«, murmelte Nicholas.
    Canter verneigte sich immer noch. Nicholas wartete einen Moment länger als sonst, bis er ihn bat, sich wieder aufzurichten.
    Gerade in diesem Augenblick kam Enford mit Egan und Holbrook durch die Tür. Alle drei kamen den Gang entlang und verneigten sich. Der letzte Teil des Zwischenspiels mit Canter war ihnen offenbar nicht entgangen.
    Egan neigte noch einmal den Kopf, bevor er sich den Stufen näherte. Die Robe spannte ein wenig um seine füllige Leibesmitte, und er geriet außer Atem, als er die Stufen hinaufstieg. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Am Ende der Stufen angekommen, verneigte er sich ein weiteres Mal vor Nicholas und beugte sich dann zu ihm hinunter.
    »Sire«, sagte Egan leise, beinahe flüsternd. »Ich möchte Euch mein tiefstes Beileid und Mitgefühl aussprechen. Ich hoffe, Ihr empfindet es nicht als ungebührlich, wenn ich Euch bitte, keinen Moment zu zögern, mich zu rufen, sollten Euch die Nächte ohne Schlaf endlos erscheinen. Wir könnten heißen Met trinken und die Zeit bis zur Morgendämmerung verplaudern.«
    Egans Freundlichkeit ließ Nicholas beinahe die Fassung verlieren. Von allen Ratsherren hatte Egan als einziger ebenfalls einen schweren Verlust erlitten. Sein einziges Kind war am Tag der Invasion gestorben. Drei Tage lang hatte Egan nach dem Jungen gesucht, bevor er den verstümmelten Leichnam am Flußufer fand.
    Nicholas lächelte mühsam. »Danke, Mylord. Ich werde Euer Angebot nicht vergessen.«
    Egan nickte und stieg die Stufen hinab. Enford hatte das kurze Gespräch aufmerksam verfolgt. Holbrook hatte kein Auge von Fesler gewandt. Daß Fesler so sichtbar gealtert war, verstörte sie alle. Mit einem Mal wirkte er älter als Holbrook, der bisher immer doppelt so alt ausgesehen hatte wie die anderen Ratsherren. Erst jetzt erkannte Nicholas, daß die beiden Männer gleich alt waren, so alt, wie weder sein Großvater noch sein Vater geworden waren.
    »Nun, da wir alle zusammengekommen sind«, eröffnete Nicholas die Versammlung, »laßt uns beginnen.«
    »Verzeiht, daß ich noch einmal unterbreche, Sire, aber die Sitzplätze sind ein wenig knapp«, sagte Canter.
    Nicholas blickte ihn einen Moment an. So also hatten sie sich die weitere Entwicklung vorgestellt. Die abtrünnigen Ratsherren hatten geglaubt, jetzt, nachdem die Fey-Frau des Königs gestorben war, könnte man wieder rasch an die Töpfe der Macht gelangen. »Ihr seid in der Tat äußerst vergeßlich, Mylord«, entgegnete Nicholas. »Und mißachtet damit das Protokoll am heutigen Nachmittag bereits zum zweiten Mal.«
    »Hoheit, ich konnte nicht umhin zu bemerken, daß Lord Holbrook ebenfalls eine gewisse Bequemlichkeit

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