Fey 03: Der Thron der Seherin
an. »Warte, bis die anderen kommen.«
»Bei den Mysterien«, sagte Jewel. »Ich bin deine Frau. Dies hier betrifft uns alle. Ich habe ein Recht darauf, es vor den anderen zu erfahren.«
Enfords Augen wurden plötzlich wachsam. »Ein Pfeil, Hoheit. Ein einziger. Direkt ins Herz.«
Plötzlich sehnte sich Jewel nach einem Stuhl. Vor drei Tagen. Sie hatte es gefühlt. So mußte es gewesen sein. Es war ein langer Weg von Jahn bis zu den Sümpfen von Kenniland. Sie hatte es gewußt – nur wie? »Habt Ihr den Mörder gefaßt?«
Enford schüttelte den Kopf. »Lord Stowe und Hauptmann Monte sind mit einigen Wachen am Tatort zurückgeblieben. Ich bin sofort hierhergeritten.«
Jewel gefiel das alles gar nicht. Sie hatte Alexander nie besonders nahegestanden. Sie hätte seinen Tod nicht spüren müssen. Er hätte sie genauso überraschen müssen wie Nicholas. Bis jetzt hatte dieser noch keine Bemerkung über ihre plötzlichen Herzschmerzen gemacht. Sie hoffte, er würde die Beschwerden nicht mit dem Tod seines Vaters in Verbindung bringen.
Sie trat zu Nicholas, nahm seine Hand und drehte ihn zu sich. Trotz der Schlachten vor vier Jahren war er nicht an den Tod gewöhnt. Jewel schon.
»Du bist jetzt der König«, sagte sie auf Nye.
Seine Augen waren leer. Plötzlich erkannte Jewel, wie ähnlich ihm Sebastian sah.
Enford war diskret beiseite getreten und stand jetzt näher an der Tür.
»Sie werden sich auf dich verlassen, erwarten, daß du Entscheidungen triffst.«
Endlich wurde Nicholas’ Blick wieder klar. Seine blauen Augen waren weit geöffnet, gerötet, aber trocken. »Wie? Er war mein Vater.«
»Und ihr König. Du mußt jetzt stark sein. Später, wenn sie fort sind, kannst du um ihn trauern.«
Nicholas blinzelte und straffte die Schultern. Enford stand noch immer an der Tür.
»Was wird jetzt passieren?« fragte Jewel leise. Sie würde ihrem Mann beistehen. Das war sie ihm schuldig. Ihm und dem neuen Kind. Ihrer Hoffnung.
»Ich weiß nicht«, sagte Nicholas.
»Du mußt es wissen«, flüsterte Jewel, »oder jemand anders wird sich auf den freigewordenen Platz drängen.«
Nicholas nickte kurz, dann löste er seine Hand aus ihrer. Er holte tief Luft, wie um sich Mut zu machen, und ging zu Enford. »Das hier ist der falsche Ort für eine Versammlung«, sagte er in der Inselsprache. »Wir brauchen einen Raum mit Tisch und Stühlen. Ich möchte nicht, daß meine Frau während der Besprechung die ganze Zeit stehen muß.«
In Gedanken applaudierte Jewel. Diese Entscheidung würde es außerdem noch eine Weile hinausschieben, daß Nicholas sich auf seines Vaters Thron setzen mußte, was ihm widerstrebte.
»Würdet Ihr bitte den Dienern helfen, den Festsaal herzurichten? Ihre Hoheit und ich werden nachkommen.«
Enford nickte. »Sehr wohl, Euer Hoheit.«
Er öffnete die Tür, und gerade als er den Raum verlassen wollte, sagte Jewel: »Nehmt Euch einen Augenblick Zeit für Euch selbst, Lord Enford, und gönnt Euch in der Küche einen Happen zu essen und einen Schluck Met. Ich bin sicher, Ihr seid von Eurem Ritt erschöpft und hungrig.«
Enford drehte sich um und starrte Jewel einen Augenblick mit undurchdringlichem Gesicht an. Dann verzog er die schmalen Lippen zu einem Lächeln und nickte. Jewel verstand, daß er ihre Höflichkeit zu würdigen wußte. Nie zuvor hatte sie ihn mit seinem Titel angesprochen und würde es wahrscheinlich auch nie mehr tun. Aber für den Moment räumte dieses Entgegenkommen die kleinen Differenzen aus dem Weg, die nur dazu beitragen würden, die Krise zu vergrößern.
»Danke, Herrin«, sagte Enford und erwiderte ihre Höflichkeit, so gut er konnte, ohne seinen neuen König zu beleidigen. »Gleich nachdem der Versammlungsraum hergerichtet ist, werde ich Eurem Vorschlag nachkommen.«
Dann ging er und schloß behutsam die eichenen Türflügel hinter sich.
»Ich kann das nicht«, murmelte Nicholas auf Nye.
Das hatte Jewel schon einmal gehört, in der Schlacht, aus dem Munde von Fey, die jahrelang auf derartige Veränderungen vorbereitet worden waren. »Du kannst. Du mußt.«
»Jewel, dieser Mord kann einen Krieg auslösen.«
Jewel nickte nicht, obwohl sie Nicholas’ Befürchtung teilte. Sie wollte, daß er Schritt für Schritt vorging. »Ein Pfeil hat ihn getötet, Nicky, in den Sümpfen. Pfeile sind keine Waffen nach dem Geschmack meines Volkes. Wir haben subtilere Methoden, jemanden zu töten. Hat es schon früher Attentatsversuche auf eure Familie gegeben?«
»Keine
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