Fey 03: Der Thron der Seherin
Fille eingestellt, und in Jahn kauft keiner, was wir herstellen. Manche von uns versuchen, von dem zu leben, was die Sümpfe hervorbringen: jagen Vögel, heizen mit Torf, essen Schilf. So kann man nicht leben.«
Das war wohl wahr. »Es hätte leichter für euch werden müssen, nachdem wir mit den Fey einen Pakt geschlossen haben«, wandte Stowe ein.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Das meiste Geld haben wir im Handel mit dem Ausland verdient, nicht mit den einheimischen Kaufleuten. Von denen sind nur wenige zurückgekommen, Leute, die noch immer Geld genug zum Ausgeben hatten, aber die meisten haben versucht, ihr eigenes Überleben zu sichern. Euer herrlicher König hat sich nie darum gekümmert, was für Zustände in den Sümpfen herrschen. Er hat wohl geglaubt, wenn in Jahn alles in Ordnung ist, lebt auch das restliche Land im Wohlstand.«
Jetzt nickten auch andere. Stowe ballte die Fäuste, um seine Erschütterung zu verbergen. Der Beweis für diese Behauptungen saß vor ihm. Der König hatte immer erklärt, die Insel könne sich selbst versorgen, unabhängig vom Handel mit dem Ausland. Für die Insel als Ganzes mochte das gelten, aber für gewisse Landstriche eben nicht. Darüber hatte Stowe noch nie nachgedacht.
»Und das wolltet ihr dem König berichten?« fragte er.
»Wir wollten es ihm zeigen«, erwiderte der erste Mann. »Lena wird ihren Jungen bald verlieren. Der Kropf da schnürt ihm die Luft ab.«
Stowe betrachtete den Jungen. Er hatte die Verdickung an seinem Hals für eine harmlose Beule gehalten, aber es mußte etwas Ernsteres sein.
»Und Kel, seine Kinder ham offene Wunden, die nit heilen wolln.« Der Mann blickte auf seinen Nachbarn. »Und Odeta, sie hat ihr Baby verlorn. Das Essen ist durch das Kleine durchgelaufen wie Wasser. So was hat’s früher bei uns nit gegeben. Früher sind wir wenigstens alle am Leben geblieben.«
Stowe unterdrückte ein Frösteln. Der König wäre entsetzt gewesen. Und Stowe selbst wußte nicht, was er tun sollte.
Der Danite beobachtete ihn.
»Wie kommt es, daß niemand dem Tabernakel oder dem Palast von diesen Zuständen berichtet hat?« fragte Stowe.
Der Danite schüttelte den Kopf. »Niemand spricht heut noch im Tabernakel vor. Der Rocaan is’ tot. Der Älteste, der seinen Platz eingenommen hat, glaubt nit wirklich und is’ kein echter Kirchenführer.«
Das hatte Stowe schon früher über Matthias gehört. Matthias war der neue Rocaan. Der alte Rocaan hatte ihn zu seinem Nachfolger ernannt, wie es das religiöse Gesetz und die Sitte vorschrieben. Niemand hatte ihn ablehnen können.
»Aber der Palast …«
»Hat den Sümpfen noch nie geholfen. Würd’s auch jetzt nit tun.«
Stowe ranzelte die Stirn. Es gefiel ihm nicht, daß diese Unterhaltung ihn zwang, seine Ansichten zu ändern. »Hättet ihr das dem König erzählt, wenn er hierhergekommen wäre?«
»Wir sind die Gruppe, die’s getan hätt’«, erklärte der erste Mann.
»Und glaubt ihr, er hätte euch geholfen?«
Der saubere Mann lächelte freudlos. »Mit ihm zu sprechen hätte uns wenigstens Hoffnung gegeben. Jetzt haben wir noch nicht einmal mehr das.«
Stowe nickte. Er hatte keine weiteren Fragen. Er fühlte sich, als sei er versehentlich in eine Welt geraten, deren Existenz er nicht einmal geahnt hatte, und müsse sie erst verstehen, bevor er beurteilen konnte, ob die Leute vor ihm zu einem Mord fähig waren.
»Wenn ich euch verspreche, eure Lebensumstände hier in den Sümpfen zu ändern, werdet ihr mir dann helfen, den Mörder des Königs zu finden?« fragte er schließlich.
»Das ist viel verlangt«, antwortete der saubere Mann. »Wir sollen Euch vertrauen, daß die Veränderungen zu unserem Besten geschehen.«
»Ich werde tun, was ich kann«, versprach Stowe.
»Aber Ihr seid nit König. Der König is’ tot«, sagte eine Frau.
»Das stimmt«, erwiderte Stowe, »aber sein Sohn, der neue König, vertraut mir und wird auf mich hören.«
»Das ist keine Garantie«, wandte der saubere Mann ein.
»Es ist alles, was ich tun kann.«
»Alles, was ich tun kann, ist, Euch mitzuteilen, daß wir Euren König nicht getötet haben«, gab der saubere Mann zurück.
Stowe starrte ihn an. Die Leute starrten zurück. »Jemand hat es getan«, sagte er. »Uns allen wäre geholfen, wenn wir ihn finden.«
5
Matthias eilte mit flatterndem rotem Talar den Korridor im Palast entlang. Er hatte die Auds bei den Pferden zurückgelassen, auch keiner der Ältesten begleitete ihn. In seinen
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