Fey 03: Der Thron der Seherin
Fakten klarstellen«, erläuterte Matthias. »Was ist, wenn die Fey nach diesem Treffen beschlossen haben, die Sache anders anzugehen?«
»Das hast du mir schon einmal erzählt, Matthias. Du hast keinerlei Beweise.«
»Dein Vater ist tot.« Matthias ließ die Hände sinken. »Das ist Beweis genug.«
»Wir wissen nicht einmal, wer ihn getötet hat.«
Matthias holte tief Luft, als müsse er sich entscheiden, wie offen er sprechen konnte, und entließ den Atem wieder in einem gewaltigen Seufzer. »Nicholas, ich habe in den Kenniland-Sümpfen als Danite gedient. Es war eine der bedrückendsten Erfahrungen meines Lebens. Ich war nur zwei Jahre dort, zu kurz, um bei den Leuten einen Eindruck zu hinterlassen, aber lang genug für mich, um sie kennenzulernen und zu verstehen. Dein Vater ist auf dem Weg in die Sümpfe gestorben. Du bist nie dort gewesen, aber ich. Es gibt nur wenig Bäume. Das Land ist meilenweit völlig flach. Ein Mann kann sich dort nicht verstecken. Ein Fey schon.«
»Das ist noch immer kein Beweis«, konterte Nicholas. »Es ist nur eine Vermutung.«
Matthias’ Finger zupften an dem ziselierten Silberschwert an seinem Hals. »Vielleicht, aber du hast versprochen, mich ausreden zu lassen. Laß uns annehmen, daß die Fey nach dem Tod des Fünfzigsten Rocaan beschlossen haben, ihre Taktik zu ändern. Angenommen, Jewels Übereinkunft mit dir ist ein Teil dieser veränderten Taktik. Sie sollte dein Vertrauen erringen, dir unentbehrlich werden und sich im Lauf der Zeit in die Staatsgeschäfte einmischen. Der Mord an Alexander wäre dann Teil dieses Plans. Wenn er stürbe, würde Jewel Königin der Blauen Insel. Sebastian …«
»Sprechen wir nicht über meinen Sohn.«
»Das müssen wir aber«, entgegnete Matthias. »Wenn wir annehmen, daß es sich bei alldem um einen Trick der Fey handelt, müssen wir auch annehmen, daß sie über Sebastian Bescheid wußten, noch bevor er zur Welt kam. Wir haben auf der Blauen Insel noch nie zuvor mit Mischehen zu tun gehabt. Die Fey dagegen haben sie auf der ganzen Welt durchgeführt. Vielleicht müssen die Fey so viele Länder erobern, weil sie sich nicht vermischen können. Sebastian, oder die Möglichkeit, ein Kind wie ihn zu bekommen, macht Jewels Aufgabe noch leichter. Sie wird Königin, du wirst sterben, und sie wird die Herrschaft übernehmen. Aber sie wird für immer regieren, denn Sebastian wird die Staatsgeschäfte niemals führen können. Alles legal. Eine Machtübernahme, ohne sich um die Bedrohung durch das Weihwasser kümmern zu müssen.«
Nicholas’ Finger schlossen sich noch fester um die Armlehne des Throns. Das glatte Holz drückte sich in seine Handfläche. »Um einen solchen Plan auszuführen, muß man unglaublich kaltblütig sein. Du hast Jewel noch nicht mit Sebastian gesehen. Sie sitzt jeden Tag bei ihm.«
»Die Fey haben eine lange Tradition, ihre eigenen Familien zu hintergehen. Der amtierende Schwarze König hat seinen Bruder um dieses Amt betrogen. Und es gibt genug andere Geschichten …«
»Nein«, sagte Nicholas. Sein Herz hämmerte. Er wollte nichts mehr hören. »Niemand konnte ihnen garantieren, daß mein Vater je in die Umstände geraten würde, die ein Attentat erst ermöglichten. Sie konnten nicht wissen, daß Sebastian … sein würde, wie er ist. Hätten sie es gewußt, hätte Jewel niemals gewagt, ein zweites Kind auszutragen. Sie spricht in der Nacht mit dem Ungeborenen, Matthias, wenn sie glaubt, daß ich schlafe. Sie bittet es, klug zu sein, stark und das Beste aus uns beiden in sich zu vereinen. Ich kann nicht glauben, daß sie mich so hintergeht.«
»Das ist ja gerade das Schöne an der Sache«, widersprach Matthias. »Daß du dich weigerst, es zu glauben. Wir haben noch immer nicht verstanden, wozu die Fey fähig sind.«
»Wir wissen es«, sagte Nicholas.
»Und von wem haben wir es erfahren? Von Jewel?« Matthias’ Worte hallten in dem leeren Raum nach.
Nicholas seufzte. Dieser Streit folgte einer seltsamen Logik, einer, die er lieber nicht hören wollte, die er aber auch nicht ignorieren konnte. Matthias war verwirrt, das war alles. Der Tod des Rocaan hatte Matthias in eine unmögliche Lage gebracht, und dafür machte er die Fey verantwortlich. Damit schürte er seinen Haß, anstatt das Beste aus der Situation zu machen.
Und nun wandte er seinen Haß gegen Jewel.
Nicholas wünschte sich, daß Matthias endlich ginge, aber ihn einfach hinauszuwerfen machte alles nur noch schlimmer. Der König und der Rocaan waren
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