Fey 03: Der Thron der Seherin
keinem Anschlag zum Opfer fallen.
Er hatte nur für sich selbst Wachen angefordert. Jewel und seinen Sohn ließ er ungeschützt, eine Entscheidung, über die er lieber nicht nachdenken wollte.
Alle Wachen hatten ein Schweigegelübde abgelegt, das Nicholas noch einmal wiederholen ließ, als er diesen Plan mit ihren Vorgesetzten ausarbeitete. Trotzdem hatte Nicholas den Männern für den Fall, daß sie Informationen weitergaben, harte, nicht näher erläuterte Strafen angedroht. Nicholas glaubte, daß sich sein System bis jetzt bewährt hatte, aber er wollte jeder Diskussion vorbeugen, sogar unter den Wachen selbst.
»Wir müssen vor Eurer Krönung noch einmal miteinander reden«, sagte Matthias jetzt.
»Ja«, bestätigte Nicholas. »Wir müssen den Schauplatz festlegen.«
»Mehr als das«, entgegnete Matthias. Er trat näher. Ohne die Schar der Ausrufer wirkte das Zimmer leer. »Wir müssen über Eure Zukunft sprechen.«
Dieselben Worte, nur anders formuliert, hatte Matthias bestimmt schon tausendmal zu Nicholas gesagt. Matthias war Nicholas’ Erzieher gewesen und hatte ihn oft auf diese Weise ermahnt, wenn er seine Hausaufgaben nicht gemacht oder das Sakrament zu selten besucht hatte.
»Müssen wir das wirklich?« fragte Nicholas. Er ging zum Thron zurück und setzte sich, wie sein Vater es getan hätte: die Füße nebeneinandergestellt, die Hände auf den Armlehnen.
»Ja.« Obwohl Nicholas erhöht saß, war Matthias größer. An seiner ungewöhnlich hochgewachsenen, schlanken Gestalt hing der rote Talar lose herab. Die kleinen Schwerter, die wie Troddeln an seiner Schärpe baumelten, betonten seine schmale, fast mädchenhafte Taille noch. Er sah nicht aus wie ein Rocaan. Er sah aus wie ein als Rocaan verkleideter Teufel in Menschengestalt.
Nicholas forderte ihn nicht auf, weiterzusprechen. Matthias würde Ärger machen. Er hatte nie viel von Nicholas gehalten. Matthias war ein Gelehrter – das war Nicholas nie gewesen. Nicholas zog Schwerter, Pferde und den Geruch des Schlachtgetümmels den Schreibstiften, Büchern und gedanklichen Auseinandersetzungen vor. Nun war der ehemalige Schüler König geworden. Matthias würde ihn nie ernst nehmen.
»Bevor wir die Krönung planen, sollten wir über Jewel sprechen.«
Nicholas straffte sich. Matthias war von Anfang an gegen diese Heirat gewesen. Er hielt die Fey für ebenso bösartig wie die Soldaten des Feindes, die legendären Krieger, die den Roca niedergemäht hatten, bevor er Aufgenommen wurde. Matthias hatte der Zeremonie nur zugestimmt, weil Nicholas’ Vater ihn irgendwie dazu überredet hatte. Und Matthias hatte nicht eine Minute mehr als nötig in die Hochzeit investiert, so daß die Zeremonie ungewöhnlich kurz gewesen war.
»Soll ich nach ihr läuten?« fragte Nicholas.
Matthias schüttelte den Kopf. Er trug kein Barett, und die blonden Locken umrahmten unordentlich sein Gesicht. »Das hier bleibt unter uns, Nicholas.«
»Sire«, korrigierte ihn Nicholas.
»Solange ich für dich der Heilige Herr bin«, sagte Matthias.
Nicholas nickte. »Ein Punkt für dich. Also ein Gespräch unter Gleichen, Matthias.«
»Genau«, bestätigte Matthias. »Und als dein geistlicher Berater würde ich dir vorschlagen, mich diesmal ausreden zu lassen.«
»Wenn du vorhast, Jewel zu verleumden …«
»Ich will nur, daß du über andere Möglichkeiten nachdenkst.«
»Was ihr eigenes Verhalten betrifft, sagt sie die Wahrheit, das weißt du genau. Seit sie zu uns gekommen ist, war sie absolut vertrauenswürdig.«
Matthias hob die Hand. »Laß mich sagen, was ich zu sagen habe. Dann kannst du mich immer noch hinauswerfen, wenn du willst.«
Nicholas seufzte. Wenn er Matthias jetzt nicht die Gelegenheit zu sprechen gab, würde er es trotzdem tun. Oder die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen, wie er es immer getan hatte. »Dann beeil dich. Ich habe mich noch um andere Angelegenheiten zu kümmern.«
Matthias legte die Finger an die Lippen, neigte den Kopf, als denke er darüber nach, wie er seine Rede am besten einleiten sollte, und sagte schließlich: »Vor fünf Jahren, als der Rocaan starb, haben die Fey eine wichtige Chance verpaßt, weshalb, das wissen wir nicht genau. Sie haben versucht, das Rätsel des Weihwassers zu lösen und den Tabernakel zu unterwandern, aber sie sind gescheitert.«
»Du brauchst mir keinen Geschichtsunterricht zu erteilen«, wehrte Nicholas ab und gestattete sich, seiner Stimme den Ärger anhören zu lassen.
»Ich will nur ein paar
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