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Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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die beiden mächtigsten Männer der Blauen Insel. Konnten sie nicht zusammenarbeiten, bedeutete das den Untergang der Insel. Soweit konnte sich Nicholas noch an seinen Unterricht erinnern.
    »Was schlägst du vor?« fragte er schließlich.
    Matthias sah auf, offensichtlich überrascht, daß Nicholas ihn um Rat bat. »Trenn dich von ihr. Jetzt, noch vor der Krönung. Sie kann den Tabernakel nicht betreten. Der Tradition der Blauen Insel gemäß ist die Heirat damit ungültig. Jewel wurde nie mit Weihwasser berührt, nie Gesegnet. Niemand wirft dir etwas vor, wenn du dich von ihr trennst. Alle würden es verstehen.«
    »Mit Ausnahme der Fey.«
    »Sogar die würden es begreifen. Die Siedlung in Jahn hat nicht funktioniert. Ihre Bewohner fühlen sich tagtäglich bedroht, und manche von ihnen sind schon ins Schattenland zurückgekehrt. Die Fey sind genauso gegen dieses Arrangement wie die Inselbewohner. Es ist ein falscher Waffenstillstand. Jeder außer dir weiß das.«
    Nicholas erstarrte. »Jeder?«
    »Ja, Nicholas. Es gibt Präzedenzfälle. Schon früher haben sich Herrscher von ihren Frauen getrennt …«
    »Aber nicht mit der Zustimmung des Tabernakels. Im Gegenteil: Der Vierzigste Rocaan hat ein Edikt erlassen, demzufolge die Heirat eine Entscheidung für die Ewigkeit ist. Das durchzusetzen ist auch deine Pflicht, Matthias. Ausgerechnet du, der Gelehrte, forderst mich auf, dagegen zu verstoßen?«
    Matthias schürzte die Lippen. »Der Vierzigste Rocaan war auch nur ein Mensch. Das Edikt stammt nicht von Gott oder dem Roca. Keine leise ruhige Stimme hat es ausgesprochen. Ein ganz gewöhnlicher Mensch hat einfach dem ganzen Land seine Vorstellung von Moral aufgedrückt.«
    »Der Rocaan ist der Vertreter des Roca auf der Insel und steht in direkter Verbindung mit Gott. Du selbst hast mich gelehrt, immer auf die leise ruhige Stimme zu hören«, konterte Nicholas. »Hat diese Stimme dir befohlen, gegen Jewel zu hetzen?«
    Matthias musterte Nicholas einen Augenblick. Dann leckte er sich die Lippen. »Ich bin ein Gelehrter, Nicholas. Das ist alles, was ich je sein wollte, bevor der Rocaan starb. Ich studiere die Geschichte, die Worte und die Logik. Die leise ruhige Stimme hat keinen Platz in meinem Weltbild.«
    Nicholas lehnte sich zurück. Vom langen Sitzen auf dem harten Thron schmerzte sein ganzer Körper. »Aber mich hast du etwas anderes gelehrt.«
    »Weil es ein Teil unserer Tradition ist.«
    »Willst du damit sagen, daß kein Rocaan je die leise ruhige Stimme gehört hat?«
    Matthias zuckte die Schultern. »Wir sind Menschen, Nicholas. Ebenso fehlbar wie Könige, nur weniger bereit, es zuzugeben.«
    Nicholas erhob sich und wandte Matthias den Rücken zu. Der Verlust seines Vaters, die Verleumdung Jewels, die Bürde des Königtums: das alles überwältigte ihn, aber dies hier war mehr, als er ertragen konnte. Irgend etwas auf der Insel mußte funktionieren. War es nicht der Palast, dann mußte es der Tabernakel sein. Und soeben hatte der Einundfünfzigste Rocaan zugegeben, daß er nicht an Gott glaubte.
    Nicholas ballte und öffnete die Fäuste, bis seine Hände schmerzten. Er zitterte. Schließlich drehte er sich um. Wenn er auf dem Podium stand, war er fast so groß wie Matthias. Nicholas konnte seinem Gegenüber in die Augen sehen, ohne zu ihm aufblicken zu müssen.
    »Du wirst nichts davon jemals anderen gegenüber wiederholen, verstehst du mich?« sagte Nicholas. Wieder ballte er die Fäuste so heftig, daß sich die Fingernägel in die Handflächen gruben. »Du wirst die Traditionen des Tabernakels nicht in den Schmutz ziehen. Du wirst dein Amt als Rocaan ausfüllen, und auch wenn du mit jemandem von gleich zu gleich sprichst, wirst du behaupten, an alles zu glauben, wofür der Rocaanismus steht, inklusive die leise ruhige Stimme. Du bist die Stimme Gottes auf dieser Insel. Mit dieser Art von Blasphemie besudelst du den Namen deines Vorgängers.«
    Matthias wurde weiß im Gesicht. »Der Rocaan wußte um meine Zweifel.«
    »Es ist mir egal, was er wußte. Er ist tot. Was du fühlst, ist eine Sache zwischen dir und dem Heiligsten. Soweit wir anderen davon betroffen sind, wirst du ein vorbildlicher Rocaan sein. Das ganze Land verläßt sich auf dich. Du wirst niemals mehr über deine Zweifel sprechen.« Nicholas schwankte unter der Wucht seiner Worte. »Hast du mich verstanden? Niemals!«
    Matthias wich einen Schritt zurück. Er öffnete erst den Mund und schloß ihn dann wieder. Schließlich sagte er: »Jawohl,

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