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Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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sein Vater gesagt, als er die Hütte verließ. »Nicht mit seinem Erbe.«
    Sie wußten nicht, daß Gabe den Ausdruck ›Erbe‹ verstand. Immer, wenn sie dieses Wort benutzten, sprachen sie von dem Ort, von dem sie ihn weggeholt hatten. Dem Ort mit den Steinwänden und dem hellen Feuer und der komisch aussehenden Frau mit dem Schatten auf dem Gesicht, der Frau, die er als ›Kinderfrau‹ gekannt hatte. Als ihn die hellen, schwebenden Lichter geholt hatten, warm eingepackt in seine weiche Decke, hatten sie ihn von einem Ort der krassen Gegensätze entführt: Schwarz und Weiß, Rot und Grün, Gelb und Orange – und ihn in dieses graue Land gebracht, wo alle gleich aussahen.
    Irgend etwas war anders mit ihm, und das hatte etwas mit jenem Ort zu tun. Die anderen Kinder waren in das Grau hineingeboren worden. Er dagegen war von Licht umhüllt zur Welt gekommen.
    Jetzt betrat seine Mutter das Zimmer mit zwei dampfenden Schalen auf einem Tablett. Sie war schlank und groß wie die anderen Bewohner des Schattenlandes, aber sie hatte blaue, auf dem Rücken zusammengefaltete Flügel, die sie ein wenig störten, wenn sie sich auf einen Stuhl setzte. Verglichen mit Gabe wog sie sehr wenig, und sie hatte ihm einmal erklärt, das liege daran, daß ihre Knochen hohl seien.
    »Irrlichtfänger sind zerbrechlich«, hatte sie ihm erzählt. »Die meisten überleben ihre Kindheit nicht.«
    Dieser Gedanke hatte ihn so erschreckt, daß er Alpträume bekam. Schließlich hatte sie ihn aufklären müssen, daß er selbst nie ein Irrlichtfänger werden würde. Sein Körper war zu kompakt, seine Knochen zu kräftig.
    »Aber du und Papa seid Irrlichtfänger«, hatte er gesagt. »Wieso ich nicht?«
    »Darum«, hatte sie mit demselben Lächeln geantwortet, das sie immer aufsetzte, wenn er solche Fragen stellte.
    Auch jetzt lächelte sie auf diese Art, als sie sich über ihn beugte und ihn freundlich ansah. »Du hast gar nicht geübt, nicht wahr?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das Feuer ist zu hübsch«, sagte er. »Siehst du die kleinen Lichter? Sie sehen aus wie du und Papa.«
    Sie stellte das Tablett auf den niedrigen Tisch und setzte sich dann auf das Kissen neben dem Teppich. Raschelnd entfalteten sich ihre blaugeränderten Flügel ein winziges bißchen. Sie blickte ins Feuer und verfolgte interessiert, wie die Funken in den Rauchfang aufstiegen.
    »Ich wünschte, dein Vater und ich wären größer.«
    »Das seid ihr doch«, widersprach Gabe. Er rutschte näher an den Tisch heran. Es war ihr kleinster Tisch, aus Holz und so verzaubert, um Speisen warm zu halten. Die Suppe war in schwarze Tonschalen gefüllt. Die Brühe war klar, aber das Fleisch war weiß und in feine Streifen geschnitten. Der Dampf roch nach Salbei.
    »Interessiert dich der Teppich denn nicht?« fragte seine Mutter.
    Gabe blickte zu Boden. Er wußte, daß ihnen der Teppich kürzlich von einem Domestiken geschenkt worden war, aber er wußte nicht, warum. Jetzt dämmerte es ihm. »Die Fäden sind einfach Fäden«, sagte er.
    Seine Mutter nickte. Sie hatte es schon lange aufgegeben, ihn zu fragen, wo er seine Wörter lernte. Sie und sein Vater hatten entschieden, es sei Teil seiner Magie, Sprache zu beherrschen und richtig anzuwenden. »Frühreif für sein Alter«, flüsterten sie jedem zu, der danach fragte. »Gabe ist eben frühreif.«
    »Also interessierst du dich nicht für Domestikenangelegenheiten?« fragte die Mutter weiter.
    Gabe zuckte die Achseln. Er nahm eine der Schalen. Unter seiner Berührung fühlte sich der Ton kühl an, obwohl der Dampf der Suppe sein Gesicht feucht werden ließ.
    »Es gefällt mir, wie Zaubersprüche wirken«, sagte er. »Es gefällt mir, daß der Tisch Essen warm hält und die Schalen einem nicht die Finger verbrennen. Ich mag mein Bett und daß darin die Träume kommen.«
    »Aber es interessiert dich nicht, selbst Zaubersprüche zu erfinden?«
    Gabe schlürfte die Suppe. Sie war warm und köstlich. Die Kräuter hoben den Geschmack nach Huhn noch hervor. Er setzte die Schale ab und wischte sich mit dem Handrücken den Mund.
    »Gabe«, sagte sie in ihrer ›Mutterstimme‹, obwohl er nicht wußte, ob sie seine Manieren tadelte oder die Tatsache, daß er ihre Frage nicht beantwortet hatte.
    »Jeder kann Teppiche weben«, murmelte er, obwohl er wußte, daß ihr diese Antwort nicht gefallen würde. Also fügte er hinzu: »Ich will auch Flügel.«
    Seine Mutter lächelte nachsichtig. Er mochte dieses Lächeln, auch wenn er ihr das nie gesagt hatte.

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