Fey 03: Der Thron der Seherin
Jewel?«
Sie nickte. Sie stützte sich mit einer Hand auf die Lehne und trat vor den Stuhl. Burden mußte sich zusammenreißen, damit man seinem Gesicht das Entsetzen nicht ansah. Ihr Bauch war geschwollen und wölbte sich tief in Höhe ihrer Hüften. Sie trug ein langes Kleid aus schimmerndem, braunem Stoff, das Burden noch nie an ihr gesehen hatte. Zwar hatte sie früher nur selten Kleider getragen, aber dieses hier entsprach dem Brauch. Fey-Frauen trugen oft Kleider während der Schwangerschaft. Dabei war Jewel so dünn wie immer, die Rundung ihrer Wangen mußte er sich eingebildet haben. Burden war auf die Auswirkungen der Schwangerschaft vorbereitet gewesen, was er jedoch nicht erwartet hatte, war die Bedachtsamkeit, mit der sie sich bewegte. Jewel war immer hitzig wie ein Feuer, flink wie der Blitz und voller Anmut gewesen. Mit solcher Vorsicht wie jetzt hatte sie sich noch nie bewegt.
Sie schob ihren Stuhl an den Armlehnen näher zum Kamin, und Burden schüttelte den Kopf. »Diesen hier, Jewel«, sagte er.
Wieder lächelte sie dünn, aber dankbar. Im Vorbeigehen streifte sie ihn, und Burden registrierte den vertrauten Geruch nach Zimt und Sonne. Ein rasches Aufflackern von Begierde durchfuhr ihn. Er war sich gar nicht bewußt gewesen, wie sehr er sie vermißt hatte.
Jetzt stützte sie sich auf die Armlehnen des Stuhls, hinter dem er stand, und ließ sich hineinsinken. Dann seufzte sie. Ihr langer schwarzer Zopf strich über seine Hände. Einen Augenblick starrte Burden ihr Haar an, bevor er den Stuhl losließ.
Er trat ans Feuer und blickte hinein. Die Flammen schienen genauso verzagt und klein, wie er sich fühlte.
»Willst du dich nicht auch setzen?« fragte Jewel.
Er schüttelte den Kopf. »Ich will keine Dreckflecken auf Hanouks Möbeln hinterlassen.«
»Ich glaube«, sagte Jewel, und ihr Tonfall verriet ihm, daß sie jetzt wirklich lächelte, »daß Hanouk von allen Fey am besten auf so etwas eingerichtet ist.«
Spezielle, von Domestiken angefertigte Möbel. Natürlich, Hanouks Möbeln konnte das Wetter nichts anhaben. Burden ergriff den Stuhl, den Jewel verlassen hatte, zog ihn näher ans Feuer und ließ sich nieder. Ein leichtes Prickeln an der Rückseite seiner Beine bestätigte ihm, daß Jewel recht gehabt hatte.
»Du siehst müde aus, Jewel.« Er lehnte sich zurück und stützte die Ellenbogen auf die Armlehnen. »Geht es dir wirklich gut?«
»Jede Menge Schwierigkeiten«, wiederholte sie. »Und das Baby.«
Schützend legte sie eine Hand auf ihren Bauch. Zum ersten Mal, seit Burden die Hütte betreten hatte, nahm er Jewel richtig wahr. Sie wollte dieses Baby, aber sie hatte auch Angst darum. Burden fragte sich, was mit dem anderen Kind schiefgegangen war. Eigentlich besaßen gemischte Fey eher mehr magische Kräfte als gewöhnliche.
»Ich brauche deine Hilfe«, murmelte Jewel. Sie hielt inne.
»Ist es Nicholas?« fragte Burden in die Stille. »Was hat er getan?«
»Nein. Nicholas hat nur getan, was er immer angekündigt hat.« Jewel seufzte und strich sich wieder das Haar aus dem Gesicht. Es war eine nervöse Geste. Das war Burden noch nie aufgefallen. »Ich nehme nicht an, daß du es schon gehört hast. Von Alexander.«
»Vom König?« Burden hatte die Siedlung seit Tagen nicht verlassen. Nicht, daß das viel ausmachte. Er hatte sich in letzter Zeit nicht mehr um Neuigkeiten gekümmert. Zu viel Ablenkung. Er mußte sich auf die Siedlung und seine eigenen, noch nicht entwickelten – und unbekannten – magischen Kräfte konzentrieren.
»Er wurde ermordet, Burden.« Jewel lehnte sich zurück und schloß die Augen. »Weit weg von hier. In den Sümpfen von Kenniland.«
»Die Inselbewohner hatten endlich die Nase voll von ihm, was?« Burden grinste. Angesichts dieses Todesfalls fühlte er kein Bedauern, außer vielleicht darüber, daß er Jewel nicht gleich zugehört hatte. »Dann bist du jetzt an der Macht. Gut. Und was willst du von mir?«
»Ganz so einfach ist es nicht.« Nur ihre Lippen bewegten sich. Es sah aus, als rede sie im Schlaf. »Der Rocaan glaubt, daß ein Fey Alexander ermordet hat. Ich glaube, daß er recht hat.«
»Ausgerechnet in den Sümpfen? Also wirklich, Jewel. Wir haben schon in Jahn genug Ärger.« Burdens Schultern strafften sich. Plötzlich wurde ihm seine entspannte Haltung unbequem. Er setzte sich auf und nahm die Ellenbogen von den Armlehnen.
»Die Sümpfe sind völlig flach und fast baumlos. Alexander wurde von einem einzigen Pfeil mitten ins Herz
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