Fey 03: Der Thron der Seherin
getötet. Obwohl die Wachen die Gegend sofort durchkämmt haben, fanden sie niemanden. Der Rocaan behauptet, daß nur ein Fey derartig spurlos verschwinden kann. Er könnte recht haben.«
»Jewel, dieser Mann haßt uns. Und du glaubst …« Burden zog scharf die Luft ein. »Du glaubst ihm tatsächlich, nicht wahr?«
»Wie du richtig sagst, bringt mich das Attentat näher an die Macht. Aber sie versuchen, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben.« Jetzt öffnete Jewel die von dunklen Schatten eingefaßten Augen. »Nicht Nicholas, aber der Rocaan und die anderen. Sie denken, ich hätte es getan.«
»Und warum kommst du dann zu mir?«
Jewel strich sich mit der Hand über den Bauch. Ihre Augen öffneten sich weit, und ihr Blick schien Burden förmlich zu durchbohren. Jetzt erkannte er die wilde Jewel von früher wieder. »Verzeih mir, Burden, aber ich muß es wissen. Hast du oder einer deiner Leute Alexander ermordet?«
Obwohl Burden nahe am erlöschenden Feuer saß, überlief ihn ein Frösteln. Den König ermorden? Nichts lag ihm ferner. Die Häuser zu reparieren, den Regen abzuhalten, die Lebensmittelversorgung sicherzustellen: das waren die Dinge, die ihn beschäftigten. Auch Jewel müßte das klar sein, aber offensichtlich war es das nicht. Sie glaubte tatsächlich, daß Burden den König der Insel ermordet hatte, als könne er dadurch den Fey aus der Misere helfen.
»Jewel«, sagte er, bemüht darum, mit ruhiger Stimme zu sprechen. »Wenn ich so etwas tun wollte, würde ich ihm mitten im Palast die Kehle aufschlitzen, damit jedermann meine gute Tat sehen und würdigen kann.«
Jewel preßte die Lippen zusammen. »Ich meine es ernst, Burden.«
»Ich auch.«
Einen Augenblick starrte Jewel ihn an. Ihre Augen bewegten sich auf und ab, als versuche sie, auf seinem Gesicht eine verborgene Botschaft zu entziffern. Dann seufzte sie. »Und du bist sicher, daß es keiner deiner Leute gewesen ist?«
Anscheinend war sie zu allem entschlossen. Sie wollte unbedingt den Fey die Schuld in die Schuhe schieben. »Sieh dich doch um, Jewel«, sagte Burden. »Niemand in dieser Siedlung hat Zeit, in die Sümpfe zu reisen, einen Mord zu planen und auszuführen und dann wieder zurückzukommen. Wir haben kaum genug zu essen.«
»So schlimm wird es schon nicht sein«, widersprach Jewel.
»O doch.« Die Wut trieb Burden aus dem Stuhl. Er mußte auf und ab wandern, um Jewel nicht anzuschreien. Das mußte sie doch verstehen. Wußte sie denn nicht, daß er das alles nur getan hatte, um ihre Bemühungen zu unterstützen? Und dann erkannte sie noch nicht einmal, welchen Schaden diese Unterstützung angerichtet hatte … Der Verrat wiederholte sich – oder vielleicht hatte er auch nie aufgehört. »Unsere Leute haben Angst, mit den Inselbewohnern zusammenzuarbeiten. Angst, Jewel, Angst vor diesem verdammten Gift. Angst, daß sie plötzlich etwas berühren, das mit Gift getränkt ist, und sterben. Hier drin wächst nichts. Jeden Frühling und Herbst werden wir überschwemmt. Wir müssen Pflanzen finden, die eine so kurze Wachstumszeit überstehen. Und die meisten zaubermächtigen Domestiken sind im Schattenland zurückgeblieben. Wir haben keine Reserven mehr, Jewel.«
Ohne sie anzusehen, wanderte er zum Feuer und wieder zurück zu seinem Stuhl. Kein Laut kam von ihr, nicht einmal ein Rascheln.
»Wir haben das alles für dich getan. Um dir zu helfen. Wir haben es getan, weil wir geglaubt haben, wenn du es schaffst, schaffen wir es auch. Wir könnten ein Abkommen mit den Inselbewohnern schließen und mit ihnen zusammenarbeiten. Es hat nicht funktioniert, Jewel. Und jetzt wirfst du uns vor, dein Vertrauen enttäuscht zu haben.«
Bei den letzten Worten blieb er vor ihr stehen und blickte auf sie herab. Inzwischen hatte sie beide Hände auf den Bauch gelegt, und um ihren Mund wurden feine Linien sichtbar. »Ihr König ist tot«, wiederholte sie. »Jemand hat ihn ermordet.«
»Nicht ich, Jewel, oder irgend jemand, den ich kenne.«
»Burden, der Rocaan hat bereits vorgeschlagen, daß ich zurücktreten soll. Sebastian kann die Königswürde nicht erben und auch dieses Kleine hier nicht. Noch schlimmer, der Krieg könnte erneut ausbrechen. Als Folge davon könnten unzählige Fey sterben. Mir ist nicht zu Ohren gekommen, daß es Fortschritte gegeben hat, das Geheimnis des Giftes zu lüften. Gab es welche?«
Burden zuckte die Schultern. »Ich besuche das Schattenland nicht häufiger als du.«
Alle Zauberhüter waren im Schattenland
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