Fey 03: Der Thron der Seherin
er.
»Ich kann Behexen, obwohl ich mich meistens dafür entscheide, es nicht zu tun«, sagte Solanda, ohne ihn zu beachten. »Ich muß allerdings zugeben, daß es in Katzengestalt einfacher ist. Dann muß ich nicht so viel dummes Zeug reden. Aber gute Hexenmeister sind selten. Seit der Eroberung von Nye habe ich keinen mehr gesehen. Diese Fähigkeit ist so verborgen angelegt, daß man sie nur schwer erkennt. Aber es gibt da gewisse Anzeichen.«
»Anzeichen?«
Solanda nickte. »Das auffälligste ist, daß unempfängliche Leute wütend auf die Hexer werden. Bei Rugar hattest du keine Chance. Ein Visionär wird niemals auf einen Hexer hören. Ein Visionär hat seine eigene Version der Wahrheit. Die Tatsache, daß Jewel am Ende nicht mehr auf dich gehört hat, bestätigt nur meine Befürchtungen. Sie hat hier auf der Insel angefangen, ihre eigenen Visionen zu haben. Die Schamanen, Zauberer, Hüter des Zaubers und Gestaltwandler werden sich ebenfalls niemals deinen Künsten unterwerfen. Aber Domestiken, besonders unerfahrene, minderbegabte Domestiken, Wetterkobolde, Irrlichtfänger und die meisten Soldaten werden sich von dir alles erzählen lassen. Falls diese Frau eine typische Inselbewohnerin war, sind sie die reinsten Schafe.«
Burden biß sich auf die Unterlippe. Schließlich fragte er: »Willst du damit sagen, daß ich über Magie verfüge?«
»Wenn du keine hättest, würdest du nicht so aussehen, mein Freund. Ich glaube, deine Magie ist mitten im Infrin-Meer, bevor wir die Mündung des Cardidas erreicht haben, in Kraft getreten. Während der Schlacht ist es noch niemandem aufgefallen, aber seit wir uns ins Schattenland zurückgezogen haben, ist sie zum Problem geworden, auch wenn niemand sie direkt erkannt hat.«
»Aber auf der Insel gibt es keine Hexer und Zauberer«, gab Burden zu bedenken. »Sie sind alle in Nye geblieben.«
Solanda nickte. Sie verstand seine Bedenken. Sie selbst war mitten im Krieg in einem Soldatenlager geboren worden und hatte sich sofort Gewandelt, als sie mit Luft in Berührung kam. Hätte die Domestikin, die ihrer Mutter beistand, keine Erfahrung mit Wandlern gehabt, wäre Solanda dabei gestorben. Niemand aus ihrer Familie hatte sich jemals Gewandelt. Auch sonst niemand aus dem Lager. Die ersten drei entscheidenden Jahre ihres Lebens hatte Solanda sich alles über das Wandeln allein beibringen müssen.
»Ich finde, wir sollten zusammen ins Schattenland zurückkehren, damit du mit den Hütern sprechen kannst«, schlug Solanda vor.
»Nein«, sagte Burden. »Mein Platz ist hier. Alle verlassen sich auf mich.«
»Sie verlassen sich auf dich, weil du sie Behext hast«, entgegnete Solanda. Sie war jetzt ganz vom Feuer durchwärmt. Sie konnte sich kaum zurückhalten, Burden um einen Teppich zu bitten, auf dem sie sich zusammenrollen und schlafen konnte. »Sobald du gehst, merken sie endlich, daß sie in erbärmlichen Hütten mitten im Schlamm leben.«
»Im Sommer wird alles besser.«
Und schlimmer im Winter, dachte Solanda, aber sie schwieg.
»Rugar wird mich nicht wieder aufnehmen«, gab Burden zu bedenken.
»Natürlich nicht«, stimmte Solanda zu. »Deine Macht steht gegen seine.«
Burden streckte die Beine aus und stand auf. Er trat ans Feuer und starrte hinein, als sei in den Flammen die Lösung aller seiner Probleme zu finden. »Du wirst es ihm nicht erzählen, oder?«
»Das über dich?« fragte Solanda zurück. »Doch, natürlich.«
»Wirklich?« fragte Burden. »Das kannst du nicht machen, Solanda.«
»Ich werde ihm alles erzählen. Das gehört zu meiner Aufgabe.«
»Du bist eine Wandlerin. Du gehörst zu den Besten der Besten.«
»Ich bin noch immer eine Fey«, berichtigte Solanda leise. Ganz gleich, wer sie war, sie hatte eine alte Schuld zu begleichen. Davon konnte sie sich nicht einfach lossagen.
Plötzlich sah Burden sie an, sah sie richtig an, als versuche er, sie von Grund auf zu durchschauen. »Warum bist du hier?« fragte er noch einmal.
»Weil eine Frau mit Gift hinter mir her war«, gab Solanda zurück.
»Nein«, sagte Burden. »Ich meine, warum bist du nicht im Schattenland?«
»Um zu sehen, wie die Inselbewohner auf den Tod ihres Königs reagieren.«
Burden nickte. »Sie sind erstaunlich ruhig geblieben, findest du nicht auch? Wäre ein Schwarzer König ermordet worden, wäre es in den Straßen schon längst zu Aufständen gekommen.«
Der Gedanke ließ Solanda frösteln. Natürlich hatte Burden recht. Bei den Fey verursachte der Tod eines Anführers
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