Fey 03: Der Thron der Seherin
anbrüllen.
»Ist schon gut«, erwiderte Nicholas. »Meine Frau sagt selbst, daß das wahr ist. Sie sagt, die Fey, die das können, werden Traumreiter genannt. Manchmal bringen sie gute Träume, manchmal schlechte.«
»Kann sie Euch beim Träumen helfen?« fragte der Koch neugierig.
»Natürlich«, gab Nicholas zurück. Er grinste anzüglich. »Genau wie deine Frau das kann.«
Die Männer lachten. Charissa gefiel nicht, wie warm Nicholas’ Stimme klang, wenn er von der Fey-Frau sprach.
»Sire«, unterbrach der Pastetenkoch. »Es sind Damen anwesend.«
»Glück für uns«, konterte Nicholas. Er häufte Käse auf sein Brot und aß hastig. Dann hob er seinen Becher Met und schwenkte ihn. »Will jemand den Rest? Ich kann nicht mehr.«
Nach kurzem Zögern griff Lis nach der Wurst. Charissa aß ihr eigenes Brot auf und lauschte den Neckereien um sie herum. Die Küchenmannschaft kannte Nicholas schon lange und gut. Jedesmal, wenn Charissa Nicholas in den letzten Jahren getroffen hatte, saß er in der Küche vor den Überresten einer Mahlzeit. Wahrscheinlich hatte er schon in der Küche Trost und Nahrung gesucht, bevor sie sich zum ersten Mal mit ihm unterhalten hatte.
Charissa hatte gerade aufgegessen, als der Oberkoch auch schon auf die Uhr blickte. Fast der ganze Sand häufte sich auf dem Grund des Glases.
»Ihr solltet langsam mal zum Ende kommen. Gruppe Sechs is’ im Anmarsch.«
Das brauchte er nicht zweimal zu sagen. Stühle wurden zurückgeschoben, Teller übereinandergetürmt und der letzte Met ausgetrunken. Nicholas erhob sich als erster.
»Ich gehe lieber allein wieder zurück«, sagte er. Nachdem er sich beim Küchenpersonal bedankt hatte, wandte er sich Charissa zu und nahm ihre Hand. Er beugte sich darüber. »Vielen Dank für die Einladung zum Essen. Dieser Abend wird der Höhepunkt dieser Woche bleiben.«
Charissas Wangen glühten. Aller Augen waren auf sie gerichtet. Fast hätte sie die Hand weggezogen, aber sie brachte es nicht übers Herz. Aber nach dieser öffentlichen Verabschiedung konnte sie auch nicht mehr mit ihm ein paar Worte vor der Küchentür wechseln.
»Ihr seid zu gütig, Sire. Ich bin’s, die Euch zu danken hat.« Nicholas ließ sie los und winkte. Dann verschwand er durch die Anrichte. Charissa traute sich nicht, ihm zu folgen. Außerdem hatte er klargestellt, daß er allein gehen wollte.
»Ich würd’ nich’ mit ihm tauschen woll’n«, meinte der Koch. »s’ is’n undankbares Los. Und er will doch bloß immer sein wie wir.« Der Pastetenkoch setzte sein Tablett neben dem Herd ab und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß vom Gesicht.
Charissa umklammerte die Hand, die Nicholas berührt hatte. Ihre Haut prickelte. »Warum nich’?« fragte sie. »Er is’ jetzt König.«
»Aber das hat er nich’ gewollt.«
»Der Junge hat immer gern gekämpft«, rief jemand anders.
»Wenn er nich’ gewesen wär’, wär’n wir jetzt alle tot«, fügte eine der Frauen hinzu, die sich um den Herd kümmerten. »Er hat dem Koch und den andern hier drin geholfen zu kämpfen.«
»In der Küche?« Charissa hatte gehört, daß Nicholas an den Kämpfen teilgenommen hatte. Aber sie hatte sich immer etwas Großartiges darunter vorgestellt, auf der Straße, nicht hier drinnen.
»Die Frau da, seine Gemahlin, sie hat ’n fast umgebracht, da, wo du jetzt stehst«, erklärte der Koch Charissa.
»Sie hat ’n umgebracht?«
»Jawoll«, erwiderte der Koch. »Sie ham Schwert an Schwert gekämpft. War’n gleich stark, sogar damals schon.«
Charissa schauderte. »Kein Wunder, daß er’s mit ihr nich’ aushält.«
»Aushält? Da sei mal nich’ so sicher, Mädel. Der Junge liebt sie wirklich, weiß Gott«, widersprach der Koch. »Ich glaub’ ’s is’ sein Fluch.«
»Liebt sie? Aber man sagt doch, daß sie nur geheiratet ham, damit der Krieg aufhört.« Charissa hatte immer angenommen, daß Nicholas seine Fey-Frau nicht aus freien Stücken gewählt hatte.
»Ihre Idee. Und seine. Beide Väter ham gesagt, es is’n Fehler. Aber sie ham’s trotzdem gemacht. Und du siehst ja, wie verrückt sie aufeinander sind. Alles Liebe. Schon immer gewesen.« Der Pastetenkoch öffnete einen der Ziegelöfen. Im Raum wurde es noch heißer.
»Gruppe Sechs«, rief jemand.
»Jawoll, und wir kriegen jede Menge Ärger, wenn wir uns nich’ wieder an die Arbeit machen«, sagte Lis. »Laß uns gehn, Charissa.«
Charissa nickte. Sie war sich nicht sicher, ob sie noch mehr über dieses Thema hören wollte,
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