Fey 04: Die Nebelfestung
als sie ihren Feind wissen lassen wollen«, sagte Fledderer. »Sie werden dich fieberhaft suchen.«
Coulter hielt sich so sehr fest, daß er die Knochen in Adrians Hand quetschte. »Geh nicht.«
»Das habe ich nicht vor«, sagte Adrian und versuchte, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Er würde nicht weggehen. Jedenfalls nicht jetzt. Vielleicht gewöhnte sich Coulter mit seiner Magie und seiner raschen Auffassungsgabe schneller an die ungewohnte Umwelt als die meisten anderen. Vielleicht konnten sie schon in wenigen Tagen weiterziehen. »Glaubst du wirklich, daß sie mich so leicht finden würden?«
Fledderer nickte.
»Warum haben sie dich nicht gefunden?«
»Weil ich weiß, wie man sich vor ihnen versteckt«, gab Fledderer zurück. »Schließlich habe ich das mein ganzes Leben lang getan.«
»Kannst du es uns beibringen?« fragte Adrian.
»Wenn ihr die Geduld habt, mir zuzuhören.«
»Haben wir«, sagte Coulter und lockerte den Griff um Adrians Hand. Die Fliege hatte die Krümel liegenlassen und landete auf Coulters Bein. Er verscheuchte sie nicht. Adrian sah das als ein gutes Zeichen an.
»Wir hören dir zu«, sagte Adrian. »Sobald es hier aber Ärger gibt, müssen wir weg.«
»Hier gibt es schon seit Jahren keinen Ärger mehr«, sagte Fledderer. »Ich verabscheue Ärger.«
»Dann geht es dir wie mir«, erwiderte Adrian und wünschte sich, er wäre den Fey gar nicht erst begegnet. »Ich komme auch sehr gut ohne Ärger aus.«
21
Gabe stand mit dem Rücken zur Wand in seiner Hütte. Es herrschte kein Nebel im Schattenland, nichts, worin man sich verstecken konnte. Seine Mutter stand neben ihm und hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt. Sogar das tröstete ihn nicht.
Sein Großvater war wütend.
Er hatte plötzlich vor dem Haus gestanden und Gabe herausgerufen. Niche hatte Gabe gegen seinen Willen hinausgebracht. Als er seinen Großvater erblickt hatte, war er an der Tür stehengeblieben. Sein Großvater hatte schon immer größer als die anderen Fey ausgesehen, obwohl das nicht ganz stimmte. Gabe hatte schon andere Fey gesehen, die größer als er waren, aber sein Großvater besaß Präsenz – er schaute mit einem Blick auf die Welt, der ihn unheimlicher wirken ließ als sonst jemanden, den Gabe kannte.
Jetzt sah er besonders angsteinflößend aus. Er hatte seinen Umhang um die Schulter geworfen, seine Hemdenschnüre hingen offen herunter, und seine Schuhe glänzten. Das Haar hing ihm wirr um das Gesicht. Gabe hatte ihn noch nie so zerzaust gesehen, aber das war es auch nicht, was ihm angst machte.
Es waren vielmehr die Augen seines Großvaters.
Sie blitzten mit einem dunklen Zorn, der durch Gabes Träume jagte. Eine Schwärze umgab seinen Großvater, eine Schwärze, die Gabe schon immer gesehen, aber immer seinem dunklen Umhang zugeschrieben hatte.
Heute nicht.
»Ich habe ihn nicht gesehen«, sagte Gabe, der wußte, daß sein Großvater wieder nach Coulter fragen würde.
»Das weiß ich bereits«, sagte sein Großvater. »Aber ich will, daß du ihn findest.«
Gabe spürte, wie ihn die Hand seiner Mutter fester in die Schulter drückte. Ihr Gesicht war immer noch grau vor Schmerz. Ihre Flügel heilten nicht gut, und sie mußte mehr arbeiten, da sein Vater weg war.
»Ich will nicht, daß Gabe das Schattenland verläßt«, sagte sie.
»Davon war keine Rede«, erwiderte sein Großvater. Sein Blick war immer noch auf Gabe geheftet, als existierte seine Mutter überhaupt nicht statt.
»Ich weiß nicht, wo er ist«, sagte Gabe wieder, der zwar wußte, was sein Großvater von ihm wollte, aber vorzog, seinen Wunsch zu ignorieren.
»Aber du könntest es herausfinden«, drängte sein Großvater weiter.
Gabe preßte sich an die Hauswand. Das unbehandelte Holz piekte ihm in den Rücken. Er konnte nicht weiter zurückweichen. »Mama will nicht, daß ich gehe.«
»Stell dich nicht so dumm, Junge«, fuhr ihn sein Großvater an. »Du weißt genau, was ich will.«
»Ich kann keine Visionen herbeiwünschen«, flüsterte Gabe. Sein Großvater wollte Coulter weh tun, soviel wußte er schon, seit er seinen eigenen Namen kannte.
»Ich spreche nicht von einer Vision. Ich will, daß du deine Verbindung einsetzt. Er kann richtig zaubern, stimmt’s? Er war es doch, der euch beide Verbunden hat. Benutze die Verbindung und sage mir, was du durch sie siehst.«
Wieder versteifte sich der Griff seiner Mutter an seiner Schulter. Ihre Finger waren nicht sehr kräftig. »Vielleicht
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