Fey 04: Die Nebelfestung
ab, riß dann ein größeres Stück ab und biß hinein.
»Schmeckt gut«, sagte er überrascht.
Adrian grinste. Der Junge mußte lernen, daß einige dieser neuen Dinge durchaus angenehm waren.
Coulter aß hastig, nahm dann von Fledderer den Wasserbecher entgegen und trank. Wieder blickte er erstaunt auf: »Das schmeckt süß.«
»Es ist frisch«, sagte Fledderer. »Nicht so wie das Wasser im Schattenland.«
Coulter machte sich wieder über sein Frühstück her. Fledderer betrachtete ihn und seufzte. »Du solltest ihn eine Weile hierlassen«, sagte er zu Adrian.
»Ich glaube, das ist keine gute Idee«, erwiderte Adrian. »Wir sind nicht weit vom Schattenland entfernt. Ich weiß nicht, wie sicher wir hier sind.«
»Sicherer als irgendwo draußen unterwegs. Dieser Junge hat einen Kater. Wenn du wieder mit ihm in den Wald gehst, und dann auch noch in die Stadt, setzt du seinen Verstand aufs Spiel.«
Coulter hörte auf zu essen und stellte den Teller ab. »Einen Kater?«
»Passiert den meisten Leuten, die zu lange im Schattenland waren«, nickte Fledderer. »Die meisten Fey haben es an Gefangenen festgestellt, bevor wir auf die Blaue Insel gekommen sind. Es heißt, daß man daran gewöhnt ist, überall nur Grau zu sehen, daß dich die Farben und Geräusche und die Temperaturen überwältigen. Manche Leute schnappen regelrecht über.«
»Das mußt du dem Jungen ja nicht gerade erzählen«, meinte Adrian. Das letzte, was er wollte, war, daß Coulter von den Gefahren erfuhr, die außerhalb der Schattenlande auf ihn lauerten.
»Ich finde, er sollte es wissen. Dann fühlt er sich nicht mehr so allein.«
»Ich will nicht überschnappen«, sagte Coulter kleinlaut.
»Keine Bange«, antwortete Fledderer. »Das passiert nicht, wenn man sich ganz allmählich an die neuen Dinge gewöhnt.«
Adrian verschränkte die Arme. »Ich glaube, du bist einfach nur einsam. Du willst uns hierbehalten.«
»Erinnere dich an Coulters panische Angst gestern nacht. Es wird nur noch schlimmer werden. Er kennt weder Käfer noch Vögel noch Fische. Alles erschreckt und verängstigt ihn, wenn wir ihn nicht auf die richtige Art und Weise damit vertraut machen.«
»Und warum redet ihr so, als wäre ich nicht hier?« erkundigte sich Coulter.
Fledderer sah ihn an. »Tut mir leid«, sagte er dann sanft. »Das wollte ich nicht. Ich möchte nur, daß dein … Vater? …«
Adrian nickte, bevor Coulter etwas anderes sagen konnte.
»… daß dein Vater das Richtige tut.« Fledderer hob das Geschirr mit zitternden Händen auf. »Ach ja«, sagte er dann, ohne Adrian dabei anzusehen, »einsam bin ich auch.«
Fledderer sprach die Worte nicht mitleidheischend aus. Der kleine Mann verfügte über eine ungeheure Würde für jemanden, der sein Leben lang ohne jede Würde hatte auskommen müssen.
Adrian sah zum Fenster hinaus. Die Blätter schaukelten in der sanften Brise. Die Vögel waren verstummt, doch die raschelnden Geräusche der sich bewegenden Vegetation hielten an. Eine Fliege summte herein und ließ sich neben Coulter auf einigen Kuchenkrümeln nieder.
Er schrie auf und rückte weg, flüchtete in Adrians Arme. »Seelen«, murmelte er auf Fey.
Fledderer schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Die Wesen in den Fey-Lampen sehen so ähnlich aus, aber das hier ist ein Insekt. Eine Fliege.« Dann wanderte sein Blick zu Adrian. »Siehst du?«
Adrian hatte verstanden. Er war zwischen der Verantwortung Coulter gegenüber und der Verantwortung gegenüber sich selbst hin- und hergerissen. Er mußte auf Coulter aufpassen, aber er wollte auch Luke finden, um zu wissen, ob es ihm gutging.
Coulter mußte den Gedanken gespürt haben, denn er drückte Adrians Hand ganz fest. »Bleiben wir hier? Bitte. Ich will nicht überschnappen.«
Fledderer musterte sie.
»Wie weit ist es von hier nach Jahn?« fragte Adrian.
»Einen Tagesmarsch«, antwortete Fledderer.
Coulters Hand drückte noch fester. »Verlaß mich nicht«, sagte er.
»Das werde ich nicht tun«, sagte Adrian, obwohl er, wenn auch nur für einige Sekunden, daran gedacht hatte. Beide Jungen brauchten ihn. Aber für Luke konnte er weniger tun als für Coulter.
»Sie suchen draußen nach dir«, gab Fledderer zu bedenken. »Sie beobachten sämtliche Straßen und Wege nach Jahn. Wahrscheinlich überwachen sie sogar alle deine Freunde und deine Familie, wenn du so wichtig für sie bist.«
»Das bin ich nicht«, brummte Adrian.
»Aber sie haben dich zwei Jahre dort festgehalten. Du weißt mehr,
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