Fey 04: Die Nebelfestung
der Fey kochten augenscheinlich nie auf ihren Feldzügen, und in Rugars Augen befanden sich die Fey nach wie vor im Krieg.
»Es gibt auch noch viele andere Geräusche«, sagte Adrian. »Ich helfe dir dabei, sie alle zu erlernen. Wenn du sie erst einmal kennst, hast du auch keine Angst mehr vor ihnen.«
Coulter schluckte. Er glaubte Adrian nicht so recht, wollte ihn jedoch zumindest verstehen. »Dieses Quietschen?« fragte er. »Was ist das?«
Adrian mußte einen Augenblick lauschen, um herauszufinden, was Coulter mit Quietschen meinen könnte. »Zwitschern«, sagte er. »Das sind Vögel.«
Coulter blinzelte ihn verwirrt an. Adrians Herz klopfte. Es würde lange dauern. Der Junge hatte im Schattenland keine anderen Lebewesen als Fey gesehen.
»Meinst du, so wie Möwenreiter?« fragte er schließlich.
Adrian nickte und versuchte, dabei nicht allzu mitleidig auszusehen. »Möwenreiter sind Fey, die wie ein Vogel namens ›Möwe‹ aussehen. Wenn wir Möwen sehen, zeige ich sie dir.«
»Es ist so grell hier«, sagte Coulter. »Meine Augen tun weh.«
»Das wird noch eine Weile andauern.« Die Stimme gehörte zu Fledderer. Er lehnte im Türrahmen. In einer Hand hielt er einen Teller, in der anderen einen Krug Wasser. »Nachdem, was Adrian erzählt hat, mußt du noch ein Säugling gewesen sein, als du ins Schattenland kamst. Deine Augen haben all das hier schon einmal gelernt, aber du erinnerst dich nicht mehr daran. Aber es heißt auch, daß du dich wieder daran gewöhnen kannst.«
Wie ein Säugling. Adrian sagte nichts, sondern lächelte Fledderer über Coulters Kopf hinweg zu. Der kleine Mann hatte recht. Alle Neugeborenen mußten das durchmachen. Sie verbrachten die ersten Wochen ihres Lebens damit, sich an die neue Umgebung anzupassen.
Fledderer kniete sich auf die Matratze und hielt Coulter den Teller hin. Coulter mußte ins Sonnenlicht fassen, um das Essen zu erreichen.
»Was ist das?« fragte Coulter.
»Ein kleiner Kuchen«, antwortete Fledderer. »Hab ich selbst gebacken.«
»Bist du ein Domestike?«
Fledderer schüttelte den Kopf. »Ich bin eine Rotkappe.«
»Aber Rotkappen sind nicht zaubermächtig.«
»Essen kann man auch ohne Zaubersprüche herstellen«, sagte Adrian sanft. »Die Inselbewohner ernähren sich schon seit vielen Generationen so.«
»Aber die Inselbewohner verfügen doch über Zauberkräfte.«
Fledderer unterdrückte ein Lächeln. Adrian war im stillen froh darum, daß Coulter von den Inselbewohnern im allgemeinen und nicht von sich im besonderen geredet hatte.
»Die meisten von ihnen nicht«, meinte Adrian. »Trotzdem kommen sie sehr gut zurecht. Wenn du soweit bist, kannst du Fledderer vielleicht fragen, ob er dir zeigt, wie man Kuchen backt.«
»Bis dahin sind wir schon wieder weg«, sagte Coulter.
Adrian klopfte ihm auf den Rücken und schob ihn ein kleines Stück weg von sich. »Warum ißt du denn nicht?«
Coulter blickte ihn an. Er wußte, daß sich etwas verändert hatte, aber er wußte nicht was. Adrian würde es ihm nicht sagen. Noch nicht.
Fledderer wackelte auffordernd mit dem Teller. Das Gebäck sah auf der rauhen braunen Oberfläche des Tellers warm und verlockend aus.
»Kann mir auch nichts passieren?« fragte Coulter.
Adrian wußte nicht genau, ob sich seine Frage auf das Sonnenlicht oder auf das Kuchenstück bezog. »Nein«, sagte er. »Dir kann nichts passieren.«
Coulter streckte vorsichtig die rechte Hand aus, verlangsamte die Bewegung, als sich die Hand dem Lichtstrahl näherte. Für magische Wesen besaß Licht eine andere Bedeutung. Adrian fing erst an, diesen Umstand zu verstehen. Das Licht, in das ihn Coulter am Vortag eingehüllt hatte, war wie ein lebendiges Wesen gewesen, eine Wand zwischen ihnen und den Fey in jenem Zimmer. Vielleicht befürchtete Coulter etwas Ähnliches von diesem Licht.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte Adrian sanft.
Coulter nickte. Dann stieß er die Hand in den hellen Sonnenstrahl, so fest, daß er Fledderer beinahe den Teller aus der Hand geschlagen hätte.
»He!« sagte Fledderer. »Das ist keine Barriere! Nur Sonnenlicht!«
Als müßte Coulter den Unterschied kennen. Er legte die Finger auf den Teller. »Er ist warm«, sagte er zu Adrian.
»Das passiert manchmal, wenn etwas lange in der Sonne war«, erwiderte Adrian.
Coulter nickte und zog den Teller zu sich. Dann ging er weg von Adrian, setzte den Teller auf seinen Schoß und nahm den Kuchen in die Hand. Mit dem Fingernagel kratzte er ein winziges Stück am Rand
Weitere Kostenlose Bücher