Fey 05: Der Schattenrpinz
nicht geglaubt.
Daraufhin hatte sie sich gar nicht erst die Mühe gemacht, es Arianna zu erzählen.
Gabe sah genauso aus wie Jewel in seinem Alter, schlank und schön, so, wie der Klumpen auch ausgesehen hätte, wäre er anstelle eines Steins ein echter Mensch gewesen. Inzwischen hatte Gabe den Fuß des Baumstamms erreicht.
»Gabe«, zischte Solanda, aber er hörte sie nicht. Er rannte davon. Solanda wollte sich gerade in ihre Fey-Gestalt Verwandeln, als sie aufblickte. Ein Rotkehlchen schlüpfte aus Ariannas Morgenmantel.
Ein Rotkehlchen.
Das Mädchen hatte Solanda immer versichert, sie besäße nur zwei Gestalten: eine als Katze und eine als Fey, genau wie Solanda selbst.
Arianna hatte sie angelogen.
Das Rotkehlchen verfolgte Gabe über den Baumwipfeln. Gabe brach durch das Gestrüpp, unbeholfen und in höchster Eile. Wenn Arianna ihn einholte und nicht wußte, wer er war …
»Bei allen Lichtern des Reiches«, keuchte Solanda. Sie sprang auf und setzte sich in Bewegung. Vielleicht war es schon zu spät. Gabe wußte nicht, wer seine Schwester war, seine Schwester wußte nicht, wer er war, und sie beide waren Abkömmlinge des Schwarzen Throns.
Chaos würde über die Welt hereinbrechen.
Solanda verdoppelte ihr Tempo. Das Rascheln und Knacken von Gabes Flucht und der Schatten des Vogels zeigten ihr die Richtung an. Sie war gut in Form. Oft schon hatte sie mit Arianna gejagt, und sie machten sich immer einen Spaß daraus, wer von ihnen den Vogel zuerst erwischte.
Das Rascheln verstummte. Solanda holte Gabe gerade in dem Moment ein, als er sich in das Loch unter dem Zaun fallen ließ. Das Rotkehlchen kreiste angriffslustig über ihm.
»Arianna! Nein!« Solanda schrie so laut sie konnte, aber auf diese Entfernung war ihre Stimme zu schwach. Auch Gabe kümmerte sich nicht um sie. Er kauerte sich in die Mulde und verschwand unter dem Zaun.
»Verdammter Halbfey«, fluchte Solanda, als sie sich auf dem Bauch durch das Loch schlängelte. Die Erde würde ihren Pelz beschmutzen, und die Mächte wußten, was sonst noch.
Auf der anderen Seite des Zauns befand sich eine kleine Anhöhe mit einer Reihe Wachhäuschen, die ihren Schatten über die Straße auf die Geschäfte warfen. Solanda konnte von ihrem Standort aus nicht alle Häuser sehen. Gabe und Arianna waren jedenfalls spurlos verschwunden.
Dann hörte Solanda ein Krächzen und Kreischen und Schreien. Sie kroch aus dem Loch und sah, wie Arianna in der Luft von Irrlichtfängern angegriffen wurde. Eigentlich war es kein echter Angriff, denn sie wußten, wer sie war, und versuchten lediglich, sie von Gabe abzulenken. Gabe hielt den Arm vor das Gesicht, und zwei Spione waren an seiner Seite.
Ganz in der Nähe mußten noch mehr Fey versteckt sein.
Was ging hier vor? Solanda verstand überhaupt nichts mehr. Versuchten sie, Gabe rechtzeitig vor der Zeremonie gegen den Klumpen auszutauschen? Hatte Arianna die beiden ertappt?
Jemand rief Gabe zu, er solle weiterlaufen, und er taumelte mit wild rollenden Augen und wehendem Haar über die Straße davon. Inselbewohner zeigten sich in den Türen ihrer Hütten, noch mehr Spione tauchten auf und schoben sie wieder in die Hütten zurück. Sie schützten Gabe.
Arianna hatte sich losgerissen und verfolgte ihn. Bald mußte Gabe die Hauptstraße erreicht haben. Solanda wußte nicht, wie die Inselbewohner reagierten, wenn ein junger Fey mitten durch ihre Stadt rannte.
»Verdammt seien sie alle, und ihre Ahnen und Urahnen dazu«, murmelte sie, ohne zu wissen, ob sie damit Gabe und seine Schwester, die anderen Fey oder die Inselbewohner meinte. Sie rannte über das Kopfsteinpflaster und verzog das Gesicht ob der scharfkantigen Steine, die ihr in die Pfoten schnitten. Sie war schon lange nicht mehr außerhalb des Gartens gewesen. Sie wurde allmählich alt.
Und zahm.
Vielleicht sollte sie wieder in ihre Fey-Gestalt zurückkehren. Vielleicht war die Chance, Gabe einzuholen, dann größer.
In der Luft über ihnen kreischte Arianna. Bald würde sie Gabe eingeholt haben, und wenn seine Beschützer nicht in der Nähe waren, konnte sie ihm ernstlichen Schaden zufügen.
Solanda wußte nicht, was das für den Rest der Fey bedeutete. Sie wußte nur, welche Probleme Gabes Tod verursachen würde.
Besonders, wenn es Arianna war, die ihn tötete.
Das Reich würde im Chaos versinken. Familien würden einander abschlachten. Der Wahnsinn würde regieren.
Solanda flog fast. Ihre Pfoten schienen den Boden nicht mehr zu berühren. Hinter ihr
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