Fey 05: Der Schattenrpinz
Königreich und seinen Bewohnern machen, was wir wollen.«
»Und was ist, wenn dein Urenkel nicht dasselbe will wie wir?«
»Was hat er schon für eine Wahl?« erwiderte Rugad. »Er ist ein Kind ohne jede Kampferfahrung. Ich dagegen habe gekämpft, seit ich zwölf war. Er wird auf mich hören. Er wird nach Leutia ziehen, wie ich es dir gesagt habe, und er wird als Eroberer kommen.«
Einen Augenblick schwieg Weißhaar. Dann hob er mit funkelnden Augen den Kopf. »Der Plan klingt einleuchtend.«
»Natürlich«, stimmte Rugad zu. »Und ich habe dir noch nicht einmal die Hälfte erzählt. Wir stehen hier noch ganz am Anfang, Weißhaar. Wenn wir es erst einmal geschafft haben, wird man die frühere Niederlage der Fey auf dieser Insel nicht mehr für einen Fehlschlag halten, sondern für einen geschickten Schachzug.«
»Du glaubst also, daß du dort gewinnen wirst, wo Rugar verloren hat?«
Rugad lächelte. Sein Sohn war schon lange, bevor er auf die Blaue Insel kam, als Visionär und Heerführer ein Versager gewesen. Deshalb war Weißhaars Vergleich unfair. Aber Rugad wollte das lieber nicht zugeben, sonst würde man ihn zu Recht fragen, warum er seinen Sohn überhaupt hatte ziehen lassen.
Jedenfalls nicht, weil er an Rugars Erfolg geglaubt hatte.
Er war von seinem Versagen überzeugt gewesen.
Rugar hatte versagt. Und zwar in großem Stil.
»Natürlich werde ich gewinnen«, wiederholte Rugad noch einmal. Er lehnte sich auf seiner Pritsche zurück und schloß die Augen. »Habe ich jemals schon verloren?«
9
Arianna machte noch einen Schritt ins Zimmer ihres Bruders. Die Luft roch irgendwie wild, nach Lehm und Harz, gemischt mit etwas, was sie noch nie zuvor gerochen hatte. Die Sonne, die durch die offenen Fenster schien, umgab die beiden jungen Männer mit einem leuchtenden Schimmer. Arianna fühlte sich seltsam leicht, fast wie im Traum.
Der Fey, der neben ihrem Bruder stand, war ebenso groß wie Sebastian, sein Haar genauso dunkel. Sie sahen sich verblüffend ähnlich. Aber die Züge des Fey waren so wach, wie es die Sebastians nie sein würden, und seine Augen waren nicht grau wie Sebastians Augen, sondern blau.
Solanda hatte Arianna nie sämtliche Arten von Magie erklärt. Gab es eine Sorte Fey, die das innerste Wesen eines Menschen stahlen? War dieser Mann hier ein Doppelgänger?
»Geh weg von meinem Bruder«, sagte sie mit geballten Fäusten auf Fey. »Jetzt. Sofort.«
»Sebastian«, bat der Fey. Seine Stimme war tief und warm. Vertraut auf eine Weise, die Arianna nicht einordnen konnte. »Komm mit mir.«
Sebastian wandte langsam den Kopf. Im Licht sah man die feinen Linien, die sein Gesicht wie ein Spinnennetz durchzogen, seit ihre Mutter gestorben war.
Seit Ariannas Geburt.
»Ari … auch?« Sebastian schien nicht im mindesten beunruhigt. Er schien die Anwesenheit des Fremden wie selbstverständlich zu akzeptieren, obwohl er Unbekannten gegenüber sonst äußerst mißtrauisch war.
Der Fey schien Sebastians Frage durchaus ernst zu nehmen.
»Arianna kann nur mitkommen, wenn sie keine Fragen stellt. Wir müssen jetzt gehen.«
»Natürlich stelle ich Fragen«, schnauzte Arianna ihn an. Die vertrauliche Art, in der der Fey mit ihrem Bruder sprach, als sei sie, Arianna, gar nicht da, gefiel ihr ganz und gar nicht. »Ich laufe doch nicht mit einem fremden Fey davon, nur weil er mich dazu auffordert.«
»Sebastian«, wiederholte der Fey. Er beachtete Arianna immer noch nicht. »Bitte!«
Sebastians Mund arbeitete. Seine Augen wanderten von dem Fey zu Arianna und wieder zurück. »Kann … nicht … entscheiden.«
»Ich schon«, konterte Arianna. Sie ging auf den Fey zu. Sie war fast so groß wie er. Er blickte auf sie hinunter, und sie erkannte Sebastian in seinem Gesicht.
Sebastian und ihren Vater.
Aber sie hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie stieß den Fey gegen die Brust, in der Erwartung, daß sein Brustkorb so hart sein würde wie Sebastians. Er war es nicht. Arianna spürte die Rippen, die Weichheit der Haut. Wieder überkam sie dieses seltsame Gefühl von Vertrautheit. Sie schüttelte es ab.
»Verschwinde!« sagte sie schroff.
»Schick mich nicht weg. Du verstehst nicht …«
»Ich verstehe genug«, schnitt ihm Arianna das Wort ab. »Ich verstehe, daß du versuchst, meinen Bruder zu entführen. Ich weiß, wozu die Fey in der Lage sind, aber du wirst ihm kein Haar krümmen, ganz egal, was du vorhast. Und jetzt verschwinde!«
Wieder schubste sie ihn. Diesmal
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