Fey 06: Die Erben der Macht
Umrisse von Schwertern zu sehen, als hätte sie jemand erst vor kurzem abgenommen.
»Mach zu«, befahl Con.
»Aber dann können wir nit zurück.«
»Da unten sind noch andere. Die Fey brauchen sie nicht zu finden.«
Servis starrte Con einen Augenblick lang an, dann verstand er. Er hatte gewußt, daß ihr Unternehmen selbstmörderisch war, aber offenbar hatte er sich immer noch die Möglichkeit eines Rückzugs offenhalten wollen. Jetzt gab er klein bei. Mit der Schulter schob er die Mauer wieder zu. Das Knirschen schien hier leiser. Con verstand jetzt, warum die Fey es nicht gehört hatten.
Dann nahm Servis zwei Messer von der Wand. Eins davon steckte er in seinen Gürtel, neben das Schwert und ein anderes Messer. Das zweite reichte er Con.
Der betrachtete die Waffe. Die Fey waren hier, und sie mußten den König finden.
Aber Con besaß keinerlei Übung im Umgang mit Waffen. Wenn er ein Messer benutzen mußte, bedeutete das, daß ihm die Fey schon viel zu nahe gekommen waren. Er gab Servis die Waffe zurück.
Servis öffnete den Mund, aber Con bedeutete ihm zu schweigen.
Statt dessen nahm er ein Schwert von der Wand. Es ließ sich nur schwer herunternehmen – es mußte wohl schon lange Zeit dort gehangen haben. Aber es gefiel ihm. Es erinnerte ihn an die Zierschwerter im Tabernakel. Das Metall war dünn und sorgfältig bearbeitet und glich keiner Waffe, die Con je gesehen hatte. Und es war blitzsauber. Ohne jede Spur von Rost, anders als die anderen Waffen.
Servis spähte in den Korridor. »Sind ’ne Menge Fey.«
»Ich habe Weihwasser«, beruhigte ihn Con, ohne dem Flur einen Blick zu gönnen. Er wollte es lieber nicht so genau wissen. Sein Weihwasservorrat war nicht besonders groß.
»Ich hoff, es reicht«, knurrte Servis.
»Das hoffe ich auch«, gab Con zurück.
Sie waren bewaffnet, sie waren bereit, nun mußten sie nur noch den König finden. Jetzt, wo sie endlich in den Palast eingedrungen waren, hatte Con keine Ahnung, wo sie zuerst suchen sollten.
»Man sollt’ doch denken, sie hätten sie ins Verlies gesteckt. Vielleicht ham sie’s noch nit gefunden«, überlegte Servis, als könne er Cons Gedanken lesen.
»Dann müssen sie wohl oben sein, oder?« sagte der Junge.
»Scheint so«, bekräftigte Servis.
Con sah sich um. Überall im Palast mußte es Treppen geben. Er wollte gerade hinter den anderen Türen nachsehen, als er plötzlich ein Stöhnen hörte.
Er wirbelte herum. Servis lag auf den Knien. Eine Schwertspitze ragte aus seinem Magen. Sechs Fey standen hinter ihm. Sie waren hochgewachsen und schlank und sahen den Fey, mit denen Con aufgewachsen war, nicht im mindesten ähnlich. Ihre Gesichter mit den geschwungenen Augenbrauen und hochgezogenen Mundwinkeln hatten einen stolzen Ausdruck.
Mit zitternder Hand riß Con seine Weihwasserflasche aus der Tasche und entstöpselte sie.
Der Fey direkt hinter Servis lachte und zog sein Schwert aus Servis’ Rücken. Servis griff sich an den Magen und fiel aufs Gesicht.
»Seht mal«, sagte der Fey mit schwerem Akzent in Inselsprache, »der Kleine da hat Wasser.«
»Oh, wie ich mich fürchte!« spottete ein anderer.
Mit einer gemurmelten Entschuldigung an den Heiligsten schleuderte Con ihnen das Weihwasser entgegen. Aber sie wichen nicht zurück, wie er erwartet hatte. Das Weihwasser traf den ersten Fey ins Gesicht und lief ihm übers Kinn. Der Fey wartete einen Augenblick, dann wischte er die Flüssigkeit einfach weg.
»Das klappt nicht mehr, kleiner Mann«, sagte der Fey. »Und jetzt hast du die Wahl. Du kannst dich ergeben, oder wir können dich töten. Aber ich kann dir versprechen, daß es nicht so schnell gehen wird wie bei deinem Freund. Ich habe hier ein paar Fußsoldaten, die in letzter Zeit für ihren Geschmack zu rasch töten mußten. Sie sind ganz wild darauf, sich einmal wieder richtig Zeit zu lassen. Du könntest ihnen viel Vergnügen bereiten.«
Con blieb nur ein Augenblick, und er wußte nicht, was er tun sollte. Er hatte eine Weisung zu erfüllen, aber seine Lage schien ausweglos.
»Denk an … den König …«, ächzte Servis, dann füllte sich sein Mund mit Blut. Er gurgelte noch einmal und starb.
»Ihr werdet mich wohl töten müssen«, sagte Con und hob sein Schwert in dem sinnlosen Versuch, die Fey aufzuhalten.
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Die staubigen Halme zerkratzten sein Gesicht und lösten einen heftigen Niesreiz aus. Gabe kauerte sich neben Leen in dem Heuballen zusammen. Der Schweiß strömte ihm aus allen Poren. Noch nie in
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