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Fey 06: Die Erben der Macht

Fey 06: Die Erben der Macht

Titel: Fey 06: Die Erben der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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seinem ganzen Leben hatte er sich so verschwitzt, schmutzig und unbehaglich gefühlt.
    Die kleine Rotkappe hatte die Heuhaufen entdeckt und ihnen befohlen, sich im mittleren zu verstecken. Gabe war nicht daran gewöhnt, von Rotkappen Befehle entgegenzunehmen, besonders nicht von desertierten. Es überraschte und beunruhigte ihn gleichermaßen, daß die Rotkappe intelligent zu sein schien. Er hätte nie gedacht, daß diese Geschöpfe viel Persönlichkeit besäßen. Aber dieser hier besaß Persönlichkeit für zwei, dazu Verstand und die unbedingte Entschlossenheit, jeden zu töten, der sich ihm in den Weg stellte. Diese Bereitschaft zu töten hatte Gabe bis jetzt nur mit Fußsoldaten in Verbindung gebracht. Die Rotkappe stellte alles in Frage, was er im Schattenland gelernt hatte.
    Sie hockten jetzt schon ziemlich lange in diesem Heuballen, und die Rotkappe hatte ihnen angekündigt, sie dürften frühestens bei Anbruch der Dunkelheit wieder herauskommen. Dunkelheit war ein dehnbarer Begriff. Gabe spürte, wie die Sonne auf das Heu brannte und es aufheizte. Aber in dem Ballen war es so dunkel, daß man schlafen konnte. Gabe hätte gern den versäumten Schlaf nachgeholt, aber es war einfach zu heiß.
    Und obendrein waren da die seltsamen Geräusche, die vor ein paar Minuten eingesetzt hatten.
    Anfangs war das Feld voller unbekannter Geräusche gewesen. Die Maisstauden ächzten in der Wärme, und das Heu raschelte in der leichten Brise. Aber mit der Zeit hatte sich Gabe an diese Geräuschkulisse gewöhnt. Es waren die neuen Geräusche, die ihn beunruhigten.
    Ein Knistern und Knacken. Das Geräusch geknickter Blätter.
    Leen langte zu ihm herüber und nahm seine Hand. Vielleicht war es nur der Bauer, der seine Ernte inspizierte.
    Vielleicht.
    Aber dafür klang es nach zu vielen Füßen.
    Gabe preßte Leens Hand so fest, daß sie sich nicht rühren konnte. Auf diesem abgelegenen Stück Land hatten sie sich vor den Fey sicher geglaubt. Aber vielleicht hatte Gabes Urgroßvater beschlossen, jeden einzelnen Hof zu durchsuchen, jeden Ort, an dem Gabe Zuflucht gefunden haben könnte.
    Die Schritte kamen näher. Sie waren leise, eher ein Tappen als richtige Schritte. Fast konnte man hören, wie der Lehmboden unter dem Gewicht der Herankommenden zusammengedrückt wurde.
    Dann war es plötzlich still.
    Gabes Nackenhaare sträubten sich. Leen machte Anstalten, ihre Hand wegzuziehen, aber Gabe packte nur noch fester zu. Jemand lag dort draußen vor dem Heuhaufen auf der Lauer.
    Wartete.
    Gabe hielt den Atem an. Sein Herz pochte, seine Finger zitterten. Er schwitzte so stark, daß man ihn bestimmt von draußen riechen konnte. Sein Mund war wie ausgedörrt. Er hätte alles für einen Schluck Wasser gegeben.
    Dann hörte er ein Knirschen auf der gegenüberliegenden Seite des Heuhaufens. Die Halme um ihn herum zitterten. Jemand grub sich ins Innere. Bestimmt war es vergebens zu hoffen, daß sie ihn nicht fanden.
    Das Knirschen hörte auf, und Gabe hörte ein Quieken. Die Rotkappe. Vielleicht würden sie sich mit ihm zufriedengeben.
    »Wer bist du?« schnauzte eine männliche Stimme auf Fey.
    »F … Fledderer«, stotterte die Rotkappe.
    »Was machst du hier«, fragte der Fey.
    »Ich, äh, ich hielt euch für Rugars Leute. Sie suchen manchmal nach mir.«
    »Rugars Leute?« wiederholte der Fey ungläubig. »Rugar ist schon seit Jahren tot.«
    »Schon, aber seine Leute suchen immer noch nach mir. Ich bin einer von den Fey, die nicht an den Waffenstillstand glauben.«
    Eine glatte Lüge. Gar nicht dumm, die kleine Rotkappe. Wenn er damit durchkam, waren sie gerettet.
    Leen zog ihre Finger aus Gabes Hand. Ihre Fingerspitzen berührten sich noch immer, aber Gabes fester Griff hatte ihr offenbar weh getan. Gabe drückte sich noch tiefer in den Heuballen, obwohl die Halme ihm unangenehm in den schweißfeuchten Rücken stachen.
    »Und warum versteckst du dich jetzt, Rotkappe?«
    »Ich habe Fey gesehen. Ich dachte, sie kommen vielleicht meinetwegen.«
    »Wir sind Rugads Leute«, erklärte die Männerstimme. »Wir suchen seinen Urenkel. Man hat uns gesagt, er sei der Anführer der Fey auf der Blauen Insel.«
    »Ich dachte, seit Rugars Tod und dem seiner Tochter haben die Fey auf der Blauen Insel keinen Anführer mehr«, erwiderte die Rotkappe.
    Gabe biß sich auf die Unterlippe. Vorsicht, Rotkappe. Sonst durchschauen sie dich.
    »Deshalb regiert ja auch sein Urenkel an ihrer Stelle«, erwiderte der Fey.
    »Aber bei ihrem Tod war er noch ein Baby.

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